Lärm, Elektrosmog & Co. – warum Wohngesundheit immer wichtiger wird

Lärm, Elektrosmog & Co. - warum Wohngesundheit immer wichtiger wird

Von Volkmar Weilguni

„My home is my castle“ sagte der britische Politiker Edward Coke schon im 17. Jahrhundert und meinte damit die eigenen vier Wände als Kraftquelle und Wohlfühloase. Unsere moderne Wohnsituation ist hingegen immer häufiger durch Schadstoffe und Umweltbelastungen beeinträchtigt. Wie man sich ganz einfach dagegen schützen kann, erzählt der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter.

Die Wohnraumqualität ist für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden essenziell. Beeinflusst wird sie von einer ganzen Reihe an objektiven und subjektiven Faktoren, etwa Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftschadstoffe, Lärm, Elektrosmog, Schimmel oder Behaglichkeit. Das Zusammenspiel dieser Faktoren untereinander beeinflusst, ob wir uns in einem Raum wohlfühlen oder nicht.

Umweltmediziner setzen sich mit den gesundheitlich relevanten Aspekten des Wohnens auseinander. Zu den renommiertesten unter ihnen zählt in Österreich Assoz.-Prof. PD DI Dr. Hans-Peter Hutter, Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie und Vorstand der „Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt“.

Im Gespräch mit Umweltmediziner Dr. Hans-Peter Hutter


Herr Dozent Hutter, Wohlfühlen ist an sich ein subjektives Empfinden. Gibt es aus medizinischer Sicht aber so etwas wie objektive Parameter, die unser Wohlfühlen bestimmen?

Hutter: Wenn man die vorliegenden wissenschaftlichen Studien analysiert, lassen sich daraus bestimmte Bedingungen ableiten, die unser subjektives Wohlfühlempfinden stark beeinflussen. Und es gibt natürlich physikalische Richtwerte. Am wichtigsten, wenn auch oftmals unterschätzt, ist das richtige Gleichgewicht zwischen Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit. Wenn diese Faktoren nicht ausbalanciert sind, dann fühlen wir uns häufig akut unwohl.

Welche Richtwerte empfehlen Sie als Mediziner?

Hutter: Die Tages-Wohntemperatur sollte zwischen 20 und 22 Grad liegen, beim Schlafen reichen 17 bis maximal 19 Grad. Für die Luftfeuchtigkeit gilt ein Fenster von 35 bis 65 Prozent als ideal, optimal sind rund 50 bis 55 Prozent. Im oberen und unteren Randbereich wird es dann immer unangenehmer. Es geht bei den physikalischen Faktoren aber nicht nur um den Wohlfühlfaktor, sondern auch darum, dass wir vor Luftschadstoffen möglichst effektiv geschützt werden.

Was meinen Sie damit konkret?

Hutter: Denken Sie an Krankheitserreger, die in der Luft in Tröpfchenform vorkommen, also mit Wasser umgeben sind. Je geringer die Luftfeuchtigkeit desto rascher verdunstet dieses Wasser und die Kerne, etwa Viren und Bakterien, bleiben umso länger in der Luft, bevor sie zu Boden sinken. Und weil gleichzeitig trockene Schleimhäute Schadstoffe rascher aufnehmen als feuchte, erhöht sich das Risiko einer Infektion nochmals. Es lässt sich aus medizinischer Sicht also definitiv belegen, dass die Infektionsgefahr über das Raumklima beeinflusst wird.

Die Infektionsgefahr ließe sich mit ganz einfachen Mitteln und ohne große Investitionen minimieren. Das passiert aber leider nicht – Stichwort: Überheizen im Winter. Temperaturen bis 25 oder 26 Grad sind im Wohnbereich heute keine Seltenheit. Das ist definitiv keine gute Idee. Durch hohe Temperaturen züchtet man geradezu trockene Luft. Das ist weder wohnmedizinisch sinnvoll – ganz im Gegenteil, wie ich bereits dargestellt habe – noch ökonomisch oder gar ökologisch verantwortungsvoll. Dennoch ist das Überheizen in unseren Breiten gesellschaftlich völlig respektiert. Mein Appell daher: Bitte nicht zu viel heizen! Das ist gut für die Geldbörse, gut für die Umwelt und gut für Ihre Gesundheit!

Abgesehen von der Temperaturregelung, wie kann man die Luftfeuchtigkeit erhöhen?

Hutter: Das ist speziell im Winter nicht ganz einfach. Eine Möglichkeit ist die Verwendung von Materialien, die großflächig in Räumen aufgebracht werden und Luftfeuchtigkeit unterstützen, statt sie abzuziehen. Das können unter anderem spezielle Anstriche sein oder überhaupt ‚grüne Wände‘. Das wird im privaten Wohnbereich noch selten gemacht, im Büro schon häufiger. Hier ist seitens der Industrie auch für zu Hause mehr Innovation gefragt.

Helfen auch die handelsüblichen Luftbefeuchter?

Hutter: Ja, aber nur dann, wenn sie regelmäßig gereinigt und entsprechend gewartet werden, sonst schlägt ihre Wirkung schnell ins Gegenteil um. Eine weitere negative Einflussquelle auf das Raumklima, die leider auch oft unterschätzt wird, ist der übertriebene Einsatz von Duftkerzen oder Räucherstäbchen. Vorsicht ist auch bezüglich der derzeit sehr modernen und beliebten Ethanol-Öfen geboten. Sie werden oft mit dem Slogan „Null Emissionen“ beworben. Wir haben das überprüft und Partikel, die aufgrund ihrer Winzigkeit mitunter tief in die Lunge eindringen können, sowie Schadstoffe wie Stickstoffdioxid oder Benzol im Innenraum gemessen, die nicht nur Beschwerden wie Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit oder Konzentrationsstörungen auslösen können, sondern im Fall von Benzol auch als krebserregend gelten.

Als Grundregel gilt: Alles was im Haushalt ‚brennt‘, erzeugt schädliche, ultrafeine Teilchen, die sich dann in der Atemluft finden. Das gilt natürlich auch für den Einsatz von Desinfektionsmitteln im Haushalt, was aus medizinischer Sicht eher selten erforderlich bzw. sinnvoll ist.

Nochmal zurück zur Raumtemperatur. Zu kalte Wohnungen sind wohl auch nicht gerade gesundheitsfördernd?

Hutter: Leider gibt es auch bei uns immer mehr Menschen, die sich das Heizen nicht mehr leisten können – Stichwort ‚Energiearmut‘. Kälte und zu hohe Feuchtigkeit begünstigen Schimmelbildung. Er kann Ursache für gesundheitliche Beschwerden sein, etwa das vermehrte Auftreten von Atemwegserkrankungen oder Allergien. Beide Extreme – zu heiß ebenso wie zu kalt – sind also wohnmedizinisch abträglich, das ist überhaupt keine Frage.

Zum Abschluss noch ein ganz anderes Thema: Wie gefährlich ist der viel zitierte Elektrosmog in den eigenen vier Wänden?

Hutter: Das ist an sich kein großes Problem, solange man einige Grundregeln bezüglich Minimierung beachtet, etwa Geräte nicht dauerhaft auf Stand-by-Betrieb zu schalten oder die Verwendung von abgeschirmten Kabeln für größere elektrische Geräte. Zu überlegen wäre auch der Einbau eines Netzfreischalters.

Tipps gegen Elektrosmog

Unter dem Begriff „Elektrosmog“ werden die vom Menschen technisch erzeugten elektrischen und magnetischen Felder, sowie die elektromagnetischen Strahlung bezeichnet. Unterschieden werden niederfrequent (verursacht durch Elektrogeräte und Stromleitungen) und hochfrequente schwingende elektromagnetische Wellen (z.B. Handys, Funkgeräte, Schnurlostelefone, Funk-Babyphon, drahtlose Daten- und Signalübertragungsgeräte etwa einer Alarmanlage).

Da die genauen Zusammenhänge zwischen elektromagnetischer Strahlung und Gesundheitsstörungen noch nicht aufgeklärt sind, sollte es das Ziel von Vorbeugemassnahmen sein, Elektrosmog so weit es geht zu vermeiden. Das Elektrosmog Auswirkungen auf das Nervensystem, den Hormonhaushalt und viele andere Zellfunktionen haben kann ist nachgewiesen, doch wie es wirkt und welche Gefahren genau damit einhergehen ist wissenschaftlich noch nicht in vollem Umfang aufgeklärt. Fakt ist, dass wir heute im Alltag ständig Elektrosmog wechselnder Stärke ausgesetzt sind und daher versuchen sollten das Risiko zu minimieren.

Besonders schützenswert sind in jedem Fall Schlaf- und Kinderzimmer. Verlängerungskabel quer unter dem Bett sind ebenso wenig empfehlenswert, weil hier ein elektromagnetisches Feld entsteht, wie Handys und Radiowecker zu nahe beim Kopf.

Übrigens, schnurlose Telefone nach dem DECT Standard (Digital Enhanced Cordless Telecommunications) senden ständig gepulste Mikrowellenstrahlung aus und werden nicht zur Anwendung empfohlen. Schnurlose Telefone nach dem CT1 oder CT1+ Standard senden nur beim Gespräch. Achtung! Der Mobilteil führt zu einer hohen Strahlenbelastung des Kopfes. Daher sollten auch diese Geräte wie das Handy nur für sehr kurze Gespräche verwendet werden!

Bei Kindern sollte am besten ganz darauf verzichtet werden. Schlafen ist bekanntlich existenziell, für unser Wohlbefinden, unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit von zentraler Bedeutung. Daher sollte hier besonders der Grundsatz gelten: Vermeide jede Störung, die vermieden werden kann.

Linktipps:

Gesundes Wohnen
Ethanolkamine – schön gefährlich
Gesund wohnen – die Umweltberatung
Elektrosmog und Gesundheit – Was jeder selbst tun kann (Empfehlungen des Landes Salzburg)
Machen uns Kosmetika krank?