Schmerz lass nach: Erste Hilfe bei Rückenschmerzen

Rückenschmerzen

Von Volkmar Weilguni

Ein schöner Rücken kann entzücken, sagt der Volksmund. Ein gesunder Rücken hingegen wird beglücken. Leider ist dieses Glück in unserer bewegungsfeindlichen Wohlstandsgesellschaft aber nur allzu wenigen vergönnt. Die gute Nachricht: Man hat es selbst in der Hand, Rückenschmerzen zu verhindern oder sie zumindest zu lindern.

Volkskrankheit Rückenschmerz! Acht von zehn Österreichern leiden zumindest einmal in ihrem Leben an starken akuten Rückenschmerzen. Während er bei den meisten Betroffenen so schnell verschwindet, wie er zuvor gekommen war, droht immerhin bis zu 20 Prozent die Gefahr einer Chronifizierung. „Mindestens 1,5 Millionen Österreicher leiden unter lebenseinschränkenden chronischen Schmerzen, mindestens 400.000 sind sogar von starken chronischen Schmerzen betroffen“, weiß Prim. Dr. Johannes Püspök, Ärztlicher Leiter des Gesundheits- und Rehabilitationszentrums Moorheilbad Harbach. Frauen sind tendenziell häufiger betroffen als Männer, am größten ist der Anteil zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr (63 Prozent der Frauen und 61 Prozent der Männer klagen in diesem Alter über mäßige oder sogar starke Rückenschmerzen).

Da beim unspezifischen Rückenschmerz viele Faktoren an der Schmerzentstehung beteiligt sind, ist die Ursachenforschung oft schwierig. Zu somatischen Ursachen wie körperlichen Fehlhaltungen und Muskelschwäche aufgrund eines zunehmenden Bewegungsmangels gesellen sich nicht selten mentale und sogar soziale Belastungen wie etwa Stress, Depressionen oder sozialer Rückzug hinzu und potenzieren damit das Risiko.

Vorbeugen ist besser als heilen

Hauptgrund der meisten unspezifischen Rückenschmerzen sind Bewegungsmangel und Muskelschwäche. Wer sich also regelmäßig bewegt und rechtzeitig Rücken- bzw. Bauchmuskulatur aufbaut, die gemeinsam den Rumpf stabilisieren, der hat zumindest eine gute Chance, dem späteren Schmerz zu entkommen. Besonders gut geeignet sind dafür ganz spezielle Übungen der Rückenschule (dafür gibt es zahlreiche Angebote, Broschüren, Tipps im Internet oder auch eigene Apps für das Smartphone), aber auch Ausdauersportarten wie Rad fahren, Walken und Rückenschwimmen.

Bewegen, warm halten, entspannen

Wer den Rückenschmerzen dennoch nicht entkommt, der sollte tunlichst danach trachten, auch beim Auftreten eines akuten Schmerzes – oder zumindest kurz danach – nach Möglichkeit in Bewegung zu bleiben. Wer sich mit Rückenschmerzen ins Bett verkriecht, um abzuwarten, bis die Schmerzen abklingen, der macht genau das Falsche. Das Bett ist nachgewiesenermaßen die schlechteste aller Therapieoptionen. Das Vermeiden jeder schmerzhaften Bewegung führt höchstens dazu, dass sich die Muskulatur noch mehr zurückbildet, die Schmerzen immer weiter zunehmen: Die Schmerzspirale beginnt sich immer schneller zu drehen und zieht den Betroffenen, wie ein Sog, immer tiefer nach unten. Um zu verhindern, dass Rückenprobleme chronisch werden, ist es daher besonders wichtig, trotz Schmerz aktiv zu bleiben.

In vielen Fällen tut auch Wärme dem schmerzenden Rücken gut. Sie fördert die Durchblutung, entspannt die Muskulatur und wirkt damit einer der Hauptursachen für akute Rückenschmerzen entgegen. Als Wärmequelle eignet sich die gute, alte Wärmflasche fast genauso gut wie das altbewährte Hausmittel des Körnerkissens – zum Beispiel mit Kirschkernen oder Dinkel. Auch ein heißes Vollbad lindert den Schmerz, vor allem dann, wenn dem Badewasser ätherische Öle zugeben werden, um die muskellockernde Wirkung zu verstärken. Hier eignen sich besonders Wacholder, Arnika, Thymian, Kampfer und Rosmarin.

Ein Tipp aus Omas Hausapotheke: Kartoffelwickel. Gekochte Kartoffeln schälen und grob zerdrücken. Den Brei in ein Stofftuch einschlagen und auf die schmerzende Partie des Rückens legen. Die Knollen geben dann eine gleichmäßige, milde Wärme ab.

Kräuter und Hausmittel sind jedenfalls gesünder und vielleicht sogar effektiver als viele der herkömmlichen medikamentösen Schmerzmittel. Umstritten ist inzwischen etwa die Wirksamkeit von Paracetamol. Aufgrund geringer Evidenz – laut einem Bericht im renommierten Medizinjournal „The Lancet“ lindert Paracetamol Rückenschmerzen nur auf Placebo-Niveau – und möglicher Nebenwirkungen gilt der Wirkstoff aus medizinischer Sicht nicht mehr als Mittel der ersten Wahl.

Bei starken Rückenschmerzen helfen zumindest kurzzeitig Wärmesalben oder Wärmepflaster. Sie enthalten Substanzen, die die Blutgefäße erweitern –zum Beispiel den Chili-Stoff Capsaicin–, fördern dadurch die Durchblutung, erzeugen ein Gefühl von Wärme und wirken schmerzlindernd.

Werden die Schmerzen bei der Anwendung von Wärme jedoch schlimmer, sollte die Behandlung sofort abgebrochen werden. Wenn die Schmerzen nämlich auf eine Nervenreizung oder Entzündung zurückzuführen sind, ist Wärme gerade kein geeigneter Therapieansatz. In diesem Fall führen Kälteanwendungen wie kalte Wickel oder Eisbeutel eher zur Schmerzlinderung.

Physikalische Therapie

Sollten Schmerzen trotz der eigenen Therapieversuche wiederkehren, kommt man um einen Arztbesuch kaum herum. Vorrangiges Ziel des Arztes ist es dann, spezifische von unspezifischen Rückenschmerzen zu differenzieren, Symptome zu kontrollieren, Überdiagnostik zu vermeiden und mit entsprechenden therapeutischen Maßnahmen der Entwicklung eines chronischen Verlaufs entgegenzuwirken. Dabei spielt neben der richtigen Medikation die Physiotherapie eine wesentliche Rolle.

Physiotherapeutische Therapieansätze sind neben der Bewegungs- und Ergotherapie unter anderem die Ultraschalltherapie, die transkutane elektrische Nerven-Stimulation (TENS), auch „Reizstrombehandlung“ genannt, oder die Extensionsbehandlung. Basierend auf dem über Jahrtausende alten bewährten Prinzip der Streckbehandlung der Wirbelsäule wurde mithilfe österreichischer Ärzte dazu ein innovatives Extensionsgerät entwickelt.

Die wiederholte Behandlung mit dem „SwingMED“ bewirkt laut Eigenbeschreibung eine „sanfte Dehnung der Muskeln und Bänder, führt zu einer schonenden Separation der Gelenksflächen der kleinen Wirbelgelenke sowie zu einer Druckverminderung (Unterdruck) im Bereich der Bandscheiben. Daraus resultiert in vielen Fällen eine rasche und anhaltende Besserung von Rückenbeschwerden“. Der letzte Punkt wurde dem Autor dieser Zeilen jedenfalls von mehreren ehemaligen Patienten durchaus glaubhaft – und mit Begeisterung – bestätigt. Auch der Erfolg gibt dieser „dynamischen Extension“ offenbar recht: Inzwischen hat sich österreichweit ein Netz an Zentren gebildet, die diese physiotherapeutische Therapieform anbieten (Näheres unter www.swingmed.at).

Multimodale Schmerztherapie

Wenn all das nicht hilft, der Schmerz über mehr als sechs Wochen anhält und zu alltagsrelevanten Aktivitätseinschränkungen führt, dann sollte die Indikation zu einer multimodalen und interdisziplinären Schmerztherapie geprüft werden.

In diese interdisziplinäre Therapieform, die stationär etwa im Gesundheits- und Rehabilitationszentrum Moorheilbad Harbach in Niederösterreich angeboten wird, werden entsprechend einem biopsychosozialen Krankheitsmodell neben somatischen auch psychische und soziale Faktoren integriert. Sie setzt sich aus mindestens 40 Prozent psychologischer Betreuung, 30 Prozent Bewegungstherapie und 20 Prozent Ergotherapie zusammen. Die medikamentöse Therapie spielt mit 10 Prozent eine bewusst untergeordnete Rolle.

Im Therapieteam arbeiten Schmerztherapeuten, Psychologen, Allgemeinmediziner und Physiotherapeuten eng zusammen. Internationale Studien hätten längst den evidenzbasierten Nachweis gebracht, versichert der ärztliche Leiter von Harbach, Prim. Püspök, abschließend, dass „eine solche multimodale Therapie insgesamt deutlich effektiver und dabei auch effizienter ist als die Summe der Einzelbausteine“.

Die 7 Feinde des gesunden Rückens

Bewegungsmangel: Stundenlanges Sitzen im Beruf kombiniert mit Bewegungsmangel in der Freizeit sind die Hauptursache des unspezifischen Rückenschmerzes. Das Risiko potenziert sich noch einmal bei Übergewicht. Regelmäßige Bewegung ist die wirksamste Vorsorgemaßnahme – und gleichzeitig die beste Therapie. Vorsicht ist dabei aber geboten: Nicht jeder Sport eignet sich. Ungeeignet sind Sportarten mit asymmetrischen Belastung, für deren Ausführung zudem Überstreckungen der Wirbelsäule oder schnelle Drehbewegungen des Rumpfes notwendig sind: Tennis oder Golf zum Beispiel, aber auch Brustschwimmen oder andere Ballsportarten wie Basketball oder Handball.

Schwere, einseitig getragene Schul- oder Handtaschen: Eine Reduktion auf das Notwendige ist ebenso ratsam wie eine symmetrische Verteilung der Last, etwa durch einen Rucksack.
High Heels: Hohe Absätze schaden nicht nur den Füßen, sondern können auf Dauer auch zu Fehlhaltungen und Fehlbelastungen des Rückens führen, zu Hohlkreuz, Verspannungen und Schmerzen. Eine gute „Gegenmaßnahme“ ist das zwischenzeitliche Barfuß-Laufen. Dadurch korrigiert sich die Körperhaltung automatisch wieder.

Stress: Beruflicher Druck, Freizeitstress oder Spannungen in der Familie belasten auch den Rücken, lösen Verspannungen und Schmerzen aus. Regelmäße Auszeiten und idealerweise kleine Entspannungsübungen zwischendurch können Wunder wirken.

Falsche Ernährung: Ungesunde Essgewohnheiten mit einem hohen Fett- und Fleischanteil, viel Zucker und hochverarbeitetem Fastfood gehen nicht nur an die (Knochen-) Substanz, sondern können auch Rückenschmerzen auslösen. Mit viel Gemüse, Kalzium (Milchprodukte) und Magnesium (z. B. Kürbiskerne oder Nüsse) kann man gegensteuern. Magnesium etwa hilft dabei, dass sich die Muskelfasern nach einer Kontraktion wieder entspannen. Ebenso wichtig ist es, ausreichend zu trinken. Flüssigkeit schützt etwa die Bandscheiben vor übermäßigem Verschleiß.

Das Alter: Mit zunehmenden Alter steigt das Risiko für Rückenschmerzen an. Angst vor dem Altwerden ist dennoch nicht angebracht, denn ab 60 werden die Schmerzen plötzlich wieder seltener.

Die Gene: Zwillingsstudien lassen vermuten, dass Rückenschmerzen zu etwa einem Drittel erblich sind.

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