Küchenhygiene – wo die meisten Keime lauern

Küchenhygiene

Von Birgit Weilguni

Hygiene wird oftmals übertrieben – ein Übermaß macht uns empfindlich für manche Keime. Manchmal täte andererseits ein Blick mehr auf die Hygienefallen im Haus gut, um unangenehme bis gefährliche Erkrankungen zu vermeiden. Der beliebteste Tatort: nein, nicht das WC – die Küche!

Im öffentlichen Raum sind vielen Menschen Hygienefallen bewusst: Stiegengeländer, Türklinken, Geld, die Hände anderer Menschen, öffentliche Toilettanlagen und vieles mehr gelten als Brutstätten von Keimen, die zur raschen Verbreitung von Magen-Darm-Infektionen, Grippe und diversen Infekten beitragen. Dass gerade in der Erkältungsperiode ab Herbst regelmäßiges Händewaschen zur effizienten Prävention dazugehört, ist den meisten Menschen bewusst. Dass aber ihre eigene Küche eine viel leichter zu eliminierende Falle darstellt, geht oft unter.

Was ist Hygiene?

„Hygienisch sauber“ ist ein beliebter Begriff aus der Werbesprache, doch was bedeutet er eigentlich? „Unter Hygiene versteht man die Gesamtheit aller Verfahren und Verhaltensweisen mit dem Ziel, Erkrankungen zu vermeiden und der Gesunderhaltung des Menschen und der Umwelt zu dienen“, erklärt Sascha Lehner, Geschäftsführer von Lehner Hygienemanagement, und ergänzt: „Außerdem ist es die Lehre von der Verhütung von Krankheiten und der Erhaltung, Förderung und Festigung der Gesundheit.“ Gemeint ist damit allerdings nicht, dass alles, was berührt wird, ständig desinfiziert werden sollte, denn „eine Wohnung ist kein Operationssaal“, warnt die umweltberatung.

„Ohne ein geeignetes Desinfektionsmittel ist keine ordnungsgemäße Reinigung in einem Lebensmittelbetrieb möglich.“

Sascha Lehner, Hygienemanager

Ein Übermaß an Hygiene zu Hause steigert die Resistenz von Keimen, die sich dann umso schwerer abtöten lassen. Zudem stehen Desinfektionsmittel im Verdacht, die Allergiewahrscheinlichkeit zu erhöhen – immerhin ist eindeutig bewiesen, dass Kinder, die häufig mit Schmutz in Berührung kommen, etwa am Land bzw. Bauernhof, seltener an Allergien erkranken als Stadtkinder.

Wir leben mit unzähligen Bakterien, ohne die Leben gar nicht möglich wäre: (Gute) Bakterien steuern unsere Verdauung, schützen unsere Haut, machen die Produktion von Käse, Joghurt, Bier oder Wein erst möglich. „In unserem Körper leben zehnmal mehr Bakterien als eigene Körperzellen. Und wenn wir in einer bakterienfreien Umgebung aufwachsen, kann unser Immunsystem nicht lernen“, sagt dazu die Mikrobiologin Univ.-Prof. Dr. Renée Schroeder.

Trotzdem soll das nicht heißen, dass nicht manche Orte durchaus „hygienisch sauber“ sein sollten. Gastronomiebetriebe oder Lebensmittelhändler, aber natürlich auch Kindergärten oder Spitäler etwa dürfen naturgemäß kein Risiko eingehen. „Ohne ein geeignetes Desinfektionsmittel ist keine ordnungsgemäße Reinigung in einem Lebensmittelbetrieb möglich“, bestätigt Lehner. „Die Reinigung selbst dient nur der optischen Sauberkeit, erst die Desinfektion reduziert die Keime einer Oberfläche auf null. Ich empfehle Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis. Sie sind einfach in der Anwendung und zu 99 % sicher, denn 100 % Sicherheit gibt es im Kampf gegen unerwünschte Keime nicht.“

Tatort Küche

Sascha Lehner überprüft speziell Großküchen auf ihre Hygiene und hier sind strenge Auflagen und besonders gute Hygieneschulungen äußerst wichtig, wie der Experte betont. „Im Wort Lebensmittel steckt das Leben“, so seine Begründung. „Lebensmittel enthalten eine Vielzahl von Mikroorganismen, die uns unter normalen Umständen nicht gefährlich werden. Wenn das Lebensmittel jedoch falsch oder überlagert wird, dann vermehren sich Verderbskeime, die sogenannten pathogenen Keime. Sie verursachen dann je nach Anzahl teilweise enormen Schaden mit Symptomen wie Übelkeit, Durchfall, Erbrechen bis hin zum Tod.“ In Großküchen wird mit vielen und sensiblen Lebensmitteln gearbeitet, daher ist die Gefahr besonders groß.

In privaten Küchen sind es wohl eher fehlende Putzdisziplin, falsche Lagerung oder der verkehrte Umgang mit Lebensmitteln und Utensilien, die gefährlich werden können. Besonders schlimme Hygienefallen sind laut dem Experten Wischtücher und Schwämme oder unsaubere Kleidung. In der Küche herrscht eine deutlich höhere Keimbelastung als in Bad und WC.

Krisenfall

Im schlimmsten Fall kann mangelnde Hygiene zu Beschwerden des Magen-Darmtraktes oder zu Hautproblemen führen. Immerhin sterben weltweit etwa 420.000 Menschen jährlich an Lebensmittelvergiftungen, wie Lehner betont. Risikogruppen sind vor allem Kleinkinder, Schwangere, Menschen mit Vorerkrankungen und ältere Menschen, die Keimerkrankungen wie Listerien, EHEC oder Kolibakterien oft wenig entgegenzuhalten haben.

Während Großküchen diese Risiken mittels kompetenter Schulungen und durchdachter Hygienekonzepte umgehen müssen, obliegt Privatpersonen die Küchenhygiene selbst und bedarf einfach eines ausgewogenen Maßes an Umsicht und Vorsicht.

Die wichtigsten Maßnahmen:

    • Nach dem nach Hause Kommen und spätestens vor der Arbeit in der Küche Hände waschen.
    • Im Haus keine Straßenschuhe tragen.
    • Keller und Nebengebäude besenrein halten, um Schädlingen keine Chance zu geben.
    • In der Küche (und Nassräumen) Feuchtigkeit vermeiden.
    • Rohe Fleisch-, Wurst-, Fisch- und Geflügelwaren sowie Eier besonders sorgsam und sachgemäß lagern; kein Kontakt zu Ware, die nicht gegart wird.
    • Verderbliches und Gemüse/Obst getrennt lagern.
    • Kühlkette möglichst nicht unterbrechen oder rasch bei hoher Temperatur verarbeiten.
    • Auftauflüssigkeit besonders sorgfältig entsorgen.
    • Kühlschrank, Arbeitsflächen, Schneidbretter, Schneidwerkzeug, Geschirrtücher, Küchenutensilien und Ähnliches immer sauber halten.
    • Schwämme und Tücher regelmäßig, am besten wöchentlich, austauschen, Waschbares bei 60 Grad waschen.
    • Haustiere nicht mit Lebensmitteln in Berührung kommen lassen.

Wer also Salmonellen, Staphilokokken, Bacillus cereus, Campylobakter-Bakterium und anderen fatalen Gästen in der Küche keine Chance geben will, sorgt für penible Sauberkeit, ohne deshalb übertriebene Dauerdesinfektion an den Tag zu legen.

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