Von Mag. Birgit Weilguni
Immer mehr Frauen wenden sich vom Ideal des ultraschlanken Körpers ab und trainieren lieber in der Kraftkammer für einen muskulösen, „definierten“ Körper. Ein Trend, der schnell Kritiker auf den Plan bringt – dabei ist an diesem Schönheitsideal endlich mal kaum etwas auszusetzen.
Die Schönheitsideale durchliefen im Laufe der Geschichte alle möglichen Formen von üppig und „barockengelhaft“ bis dürr und mager. Angesichts sich verschärfender Fälle von Essstörungen wurde immer mehr Unmut über „Size Zero“ und „Heroin Chic“, supermagere Models, laut, denen speziell Teenager nacheifern. Nun verändert sich die Lage neuerlich. Der neueste Trend, glaubt man insbesondere den sozialen Medien, bewegt sich weg von knochig-mageren Frauen hin zu muskulös durchtrainierten. Statt Hungern ist nun Training angesagt, doch erste Unkenrufe sehen hier schon wieder jede Menge Gefahren. Ob dieser Trend nun ein positiver oder gefährlicher ist, haben wir Assoc. Prof. Dr. Andrea Podolsky, Leiterin des Instituts für Präventiv- und Angewandte Sportmedizin am Universitätsklinikum Krems und Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, gefragt.
Startschuss für mehr Wohlbefinden
Meteorologisch beginnt der Frühling ja nicht erst am 21., sondern schon am 1. März. Das Ende der Kälte, die ersten Knospen und das endlich wieder erklingende Vogelgezwitscher verleihe den meisten von uns neue Energie und Lebensmut.
Bewegung an der frischen Luft wird nicht als Pflichtübung betrachtet, sondern als lang ersehnte Möglichkeit wertgeschätzt. Die Tage werden schon seit geraumer Zeit wieder länger, es wird früher hell, das Tageslicht bleibt uns länger erhalten und wer nur zu Hause hockt, hat tatsächlich bald das Gefühl, etwas zu verpassen.
Die Stimmung verbessert sich, die Lust auf Veränderung wächst, die ‚Nestreinigung‘ mit dem obligatorischen Frühjahrsputz steht an und auch der Körper sehnt sich nach Erneuerung. Auch jene, die unter Frühjahrsmüdigkeit leiden – rund 5% der Bevölkerung – sollten sich zu Bewegung an der frischen Luft aufraffen, ist dies doch das beste Mittel, um die bleierne Müdigkeit zu vertreiben. Doch warum eigentlich?
Essstörungen und Übertreibungen
„Ich halte Krafttraining für Frauen für einen guten, sehr begrüßenswerten Trend. Weil es wissenschaftlich eindeutig erwiesen ist, dass es einen positiven Gesundheitseffekt hat, wird es von allen internationalen Fachgesellschaften und der WHO mindestens zweimal wöchentlich empfohlen“, stellt Podolsky grundsätzlich klar. Freilich tendieren gerade junge Menschen, aber nicht nur diese, zu Übertreibungen, was im Zuge des Magerwahns anhand von steigenden Zahlen bei Essstörungen erschreckend deutlich wurde. Das bestätigt auch die Expertin: „Ganz viele Menschen übertreiben, nicht nur junge Frauen und Mädchen, aber Krafttraining hat nichts mit Essstörungen zu tun.
Essstörungen kann man vermeiden, indem man junge Mädchen und Frauen in ihren Bedürfnissen ernst nimmt und sie wertschätzend behandelt. Stattdessen wird viel zu oft versucht, junge Menschen – beiderlei Geschlechts übrigens – in Rollenklischees zu pressen, in denen viele nicht glücklich sind.“
Während also in Zeiten des Magerwahns junge Menschen mit Essstörungen ihren Idealen nacheiferten, sind ähnliche Auswüchse beim Krafttraining nicht zu beobachten. Extremformen gibt es aber natürlich durchaus – wie bei jedem Trend.
Und auch hier hat sich die Öffentlichkeit bereits von den Medien gesteuerte Meinungen zugelegt, die bei genauerer Betrachtung nicht immer halten. „Eiweißpräparate sind meist nicht notwendig – für niemanden übrigens –, weil in unserer Nahrung ausreichend Eiweiß vorhanden ist, wenn man ausgewogen isst“, sagt Podolsky und ergänzt: „Ernährt man sich sehr einseitig, zum Beispiel vegan, kann die zusätzliche Eiweißeinnahme sinnvoll sein. Allerdings sind Eiweißpulver auch nicht immer aus veganen Quellen.“
Anabole Steroide hingegen stehen auf der verbotenen Liste der Anti-Doping-Organisationen und seien in jedem Fall ein absolutes No-go – für Frauen wie auch für Männer. Und auch an Appetitzüglern lässt die Expertin kein gutes Haar, denn sie machen krank. Gewichte zu stemmen hingegen sei per se kein Negativum, sondern sogar gut – „wenn man es kann“. Soweit die potenziellen Auswüchse des neuen Trends.
Eine Frage der Technik
Krafttraining, korrekt durchgeführt, sei eine systematische Maßnahme, um ein Ziel zu erreichen, hält Podolsky fest. „Die gewünschten Ziele können unterschiedlich sein: Sie können vom ‚body shaping‘ – also dem Erzielen einer ansprechenden Figur – über das Erzielen von Gesundheitseffekten wie Gelenkstabilisation, Haltungstraining, Rückenschmerzvorsorge oder -behandlung bis zu leistungssportlichen Zielen reichen und alle davon sind gut.
Welches Training man am besten anwendet und wieviel davon, hängt vom Ziel ab“, so die Sportmedizinerin. Es gebe grundsätzlich kein Krafttraining, das für Mädchen weniger geeignet ist, aber: „Maßnahmen, die nicht systematisch sind, zum Beispiel zu schnell zu viel oder immer zu wenig, sind schädlich, weil sie entweder zu rasch zum Trainingsabbruch oder zu lokalen Überlastungserscheinungen führen oder im zweiten Fall einfach wirkungslos und damit Zeitverschwendung sind.“
Tipps von Experten
Als Grundregeln hält Podolsky einige wichtige Hinweise bereit:
- Übungen müssen zunächst ordentlich erlernt werden
- Die Körperwahrnehmung soll geschult werden, das heißt, dass man sich seiner Haltung bewusst ist und den Rumpf stabilisiert (Bauch anspannt), wenn man zum Beispiel Gewichte hebt oder an einer Kraftmaschine arbeitet
- Ein stabiler Rumpf und stabile Gelenke gehören erarbeitet. Dazu startet man gegebenenfalls mit Pilates, um den Körper kennenzulernen
- Beobachten Sie, ob es Übungen gibt, die andere Schmerzen als Muskelkater hervorrufen. Das könnte auf eine fehlerhafte Übungsdurchführung hinweisen
- Mindestbelastungen bitte beachten: Die optimale Intensität für ein Muskelaufbautraining ist 50 bis 70 % des Ein-Wiederholungsmaximums – also des Gewichts, mit dem man die Übung einmal machen kann
- Umfang und Gewichte werden im Laufe der Zeit gesteigert, zum Beispiel nach der FAKT-Methode von Prof. Paul Haber (Fortlaufend Adaptiertes Kraft-Training)
- Führen Sie ein Trainingstagebuch: Welche Übungen wurden durchgeführt, wie oft, mit welchem Gewicht? Gab es Probleme? Gibt es eine Steigerung? So behalten Sie den Überblick und können etwaige wiederkehrende Probleme rascher erkennen
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Die ideale Übung gibt es nicht
Jeder versierte Krafttrainer schwört auf „seine“ Übungen. Dazu ist es wichtig zu wissen, dass es „die idealen“ Übungen nicht gibt, denn „welche Übungen man anwendet, hängt vom Ziel und vom Ausgangsniveau ab. Ist das Ziel allgemeine Konditionierung, dann sollte man etwa zehn verschiedene Übungen machen, die alle wichtigen Muskelgruppen fordern und sie zumindest zweimal pro Woche trainieren. Häufigkeit und Umfang hängen jedoch von der Trainingserfahrung ab. Die Intensität der Übungen muss ausreichend hoch sein, um die trainierte Muskelgruppe zu ermüden, aber nicht so hoch, dass man die Übung nicht mehr ordentlich durchführen kann“, weiß Podolsky.
Fazit: Krafttraining für Frauen ist kein zweifelhafter, gefährlicher Trend, sondern ein sehr positiver, der zu mehr Körperbewusstsein, einem gesünderen Körper und besseren Erfolgen im Leistungssport führen kann. Missbrauch gibt es wie in jedem Bereich des Lebens, aber in keiner prädominanten Weise – das Image des Muskelprotzes passt jedenfalls nicht.
Die Gefahr sind nicht maskuline Muskelberge bei Frauen, wenn man etwas falsch macht, sondern „eher feminine Fettberge, wenn man nichts macht“, wie Podolsky abschließend augenzwinkernd meint.
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