Plastik – ein Kunststoff müllt uns zu und heizt uns ein

Plastikmüll

Von Mag. Alexandra Bolena

In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts als praktischer Alleskönner gefeiert, haftet Plastik heute ein schlechter Ruf an. Kunststoff und Plastik haben sich in den letzten 70 Jahren ihren Weg in all unsere Lebensbereiche gebahnt. Kaum mehr ein Produkt, das ohne Kunststoff auskommt. Ob als Verpackung oder als integraler Bestandteil (Spielzeug, Kleidung), ob als Ding an sich (Plastikbesteck, Nylonstrümpfe, Strohhalm) oder als unangenehme Begleiterscheinung der weltweiten Überplastifizierung (Mikroplastik in der Nahrungskette) – Plastik, Plastik überall! Doch es gibt Alternativen!

Ein Kunststoff hat die Welt verändert

In wenigen Jahrzehnten hat Plastik die Welt erobert – und verändert. Seit den frühen 1950er-Jahren wurden zuverlässigen Schätzungen zufolge 8,3 Milliarden Tonnen Plastik produziert. Manches davon mag noch in Gebrauch sein, viel aber wohl nicht.

Kunststoff ist jedoch besonders langlebig und hält bis zu 100 Jahre und länger. Der Großteil des seit den 50ern produzierten Plastiks ist also noch „da“; das wenigste davon aber noch in Verwendung.

Plastik ist seit vielen Jahren ein Wegwerfgut. Billig in der Erzeugung und praktisch in der Verwendung wird es oft nur einmal benutzt und dann entsorgt. Der vermeintlich billige Stoff – jedenfalls solange man die Umweltschäden nicht miteinberechnet – hat in all unsere Lebensbereiche Einzug gehalten. Erst langsam beginnt die Menschheit sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man den robusten Stoff wieder los wird.

Plastik wohin man blickt

Unsere Wegwerfgesellschaft hat sich daran gewöhnt – einmal benutzen und wegwerfen. Egal, ob es um Plastiktüten geht, ob um Trinkhalme, um Wattestäbchen oder um Mineralwasserflaschen. Einmal verwenden – danach in den Müll – das war für Jahrzehnte das Motto.

Die Hälfte aller Verbrauchskunststoffe sind Einwegprodukte. Zum Beispiel Wasser- oder Limoflaschen, von denen minütlich (!) eine Million weltweit gekauft werden. Doch was passiert mit all diesem Plastikmüll? Wohin mit den Kunststoffflaschen nach Entleerung?

PET Flaschen halten 450 Jahre

Der Grund, weshalb Plastik in den letzten Jahren Glas, Holz, Leder und Metalle zusehends ersetzt hat, ist seine außergewöhnliche Haltbarkeit. Kunststoff hält richtig lang und er vermodert nicht. Er zerfällt bestenfalls aber auch das nur sehr langsam – zum Teil über Jahrhunderte – und niemals vollständig.

Einige Beispiele:

  • eine Einkaufstüte schwimmt 10 bis 20 Jahre lang im Meer, bis sie sich (vermeintlich) auflöst
  • ein Styroporbecher braucht 50 Jahre, bis er zerbröselt
  • eine PET-Flasche braucht 450 Jahren bis zu ihrem Zerfall
  • eine Angelschnur hält geschätzte 600 Jahre

Erschwerend kommt hinzu, dass Plastik zwar – früher oder später – zerfällt, allerdings sind Mikroorganismen, die diesen Prozess verantworten, nicht in der Lage Kunststoffe vollständig zu zersetzen.

Im Fachjargon heißt das ‚inert‘ und bedeute, dass Plastikpartikel zwar kontinuierlich kleiner, aber niemals vollständig abgebaut werden. Das führt zunächst dazu, dass sich Plastikmüll an allen Ende und Ecken, am Festland, wie im Wasser, an Stränden, in Meeresstrudeln und Sedimenten sammelt.

In einem zweiten Schritt führt es dazu, dass Plastik über den Umweg der Nahrungskette auch in uns landet – erst kürzlich wurde Mikroplastik im menschlichen Organismus nachgewiesen.

Mikroplastik

Von Mikroplastik spricht man bei Teichen, die nicht größer als fünf Millimeter sind. Diese kleinen Teilchen sind vielleicht nicht unmittelbar sichtbar, aber sie sind allgegenwärtig. Sie sind in unserer Nahrung und in uns, sie sind in Fischen und Säugetieren, in Kosmetika und Zahnpasten, an Land und im Wasser,… sie sind so gut wie überall nachweisbar.

Mikroplastikpartikel finden sich in allen Gegenden dieser Erde, aber vor allem auch in allen Weltmeeren, vom Atlantik bis zum Pazifik, in der Karibik und in der Antarktis, von der Wasseroberfläche bis in die Tiefsee. In Wahrheit ist unsere Welt mit einer Plastikschicht durch- und überzogen.

Die Wissenschaft beginnt sich erst jetzt mit den Fragen, was das wohl – neben all den anderen negativen Effekten – für unser Klima bedeuten wird, auseinanderzusetzen. Eines ist aber bereits jetzt klar: es bedeute nichts Gutes.

Beschleunigt Mikroplastik den Klimawandel?

Plastik hat nicht nur über seinen Herstellungsprozess und den Einsatz von fossilen Brennstoffen, die man für die Produktion braucht, negative Auswirkungen auf den Klimawandel. Die viel gravierenderen Auswirkungen dürften dem Umstand geschuldet sein, dass Plastik und Mikroplastik unter UV-Strahlung Treibhausgase freisetzen.

Sarah-Jeanne Royer von der University of Hawaii untersuchte die sieben weltweit am häufigsten produzierten Kunststofftypen (Polycarbonat, Acryl, Polypropylen, Polyethylenterephthalat (PET), Polystyrol, Polyethylen hoher Dichte und Polyethylen niedriger Dichte). Das erschütternde Ergebnis: alle sieben setzen klimarelevante Gase wie Ethylen und Methan, auch bekannt als Treibhausgase, frei, und zwar umso mehr, je weiter der Zerfallsprozess vorangeschritten ist.

Grund dafür ist, dass die zerfallenden Kunststoffe mehr Oberfläche für die Sonneneinstrahlung bieten, was wiederum die Gasproduktion beschleunigt. Der Kunststoff „schwitzt“ also zunächst umso mehr Treibhausgase aus, je mehr er zerfällt, bis sich dieser Prozess verselbständigt und Methan und Ethylen sogar in der Nacht – ganz ohne Sonneneinwirkung produziert werden. Warum das so ist, ist noch nicht erforscht, beängstigend ist es allemal.

Mega-Methanproduzent Einkaufssackerl

Besonders fatal: der am meisten benutzte Kunststoff, nämlich jener, der für die Produktion von Einkaufssackerln (jährlich bis zu fünf Billionen) verwendet wird, produziert im Vergleich mit anderen Kunststoffen die meisten Gase und noch dazu umso mehr, je länger der Verfallsprozess (10-20 Jahre) andauert. Die erschreckenden Daten aus dem Beobachtungszeitraum: Nach 212 Tagen in der Sonne emittierte der Kunststoff der Plastiktüte um 176 mal mehr Methan als am Anfang der Beobachtung.

Die Studien zur Methanproduktion via Plastikmüll stehen zwar erst am Anfang, aber Eines ist schon heute klar: beruhigen werden uns diese Ergebnisse nicht. Die häufigsten Einwegkunststoffe sind übrigens Zigarettenfilter, Plastikflaschen und deren Verschlüsse, Essensverpackungen, Plastiksackerln, Kunststoffdeckel und Strohhalme. Die EU Initiative, Plastikmüll tunlichst zu vermeiden und entsprechende Produktionen zu unterbinden kann daher jedenfalls als erster wichtiger Schritt (wenn auch kein allzu großer) betrachtet werden.

Plastik im Meer

Das Gebiet des Nordpazifikwirbels zwischen Nordamerika und Asien ist berüchtigt für seine hohe Konzentration von Plastikteilen. Man nennt das Gebiet auch Great Pacific Garbage Patch. Die Größe dieses „Mistsees“ wird sehr unterschiedlich angegeben – kein Wunder, sind doch auch die Grenzen diffus und nicht klar abgrenzbar. Die am häufigsten genannte Schätzung spricht von einer Größenordnung von etwa 1.600.000 Quadratkilometern – das entspricht in etwa der vierfachen Fläche Deutschlands.

Die wahre Größe des Felds aus Plastik lässt sich zwar schwer angeben, die Partikelkonzentration kann man hingegen recht gut quantifizieren. So werden für den Great Pacific Ocean Garbage Patch eine Million Teilchen Kunststoff pro Quadratkilometer angenommen. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 100 Millionen Tonnen Kunststoffmüll (Tendenz stark steigend) in dem Müllstrudel zirkulieren. 50 Prozent der Masse bestehen aus alten Fischernetzen, 8 % aus Mikroplastik. Die Hauptverursacher des jährlichen Plastikmüllzugangs sind übrigens aktuell die Länder China, Indonesien, Vietnam und die Philippinen.

Der subtropische Wirbel des Nordpazifiks ist der größte Strömungskreis in den Ozeanen, aber nur einer von fünf beobachteten. Einer der den Wissenschaftern wegen seiner zunehmenden Ausdehnung ebenfalls große Sorgen bereitet ist im Nordatlantik in der Sargassosee – auch hier wurden sehr hohe Konzentrationen von Plastikmüll nachgewiesen. Aktuell warnen Wissenschaftler vor der Möglichkeit der Entstehung eines weiteren sechsten Müllstrudels in der Barentssee, dessen Teilchen von den nordeuropäischen Küsten stammen.

Das Hauptplastikproblem Europa sind allerdings nicht die Ozeane per se, sondern die Flüsse, die in die Meere münden. Die europäischen Fließgewässer gelten als „Plastikhauptlieferanten“ für den Atlantik und das Mittelmeer. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass jährlich bis zu 40 Tonnen Plastik allein in der Donau transportiert werden.

UN Plastikreport

Vor rund einem Jahr, im Sommer 2018, veröffentlichte das UN Umweltprogramm nun erstmals einen Plastikreport, um auf die Gefahren des Kunststoffs hinzuweisen und Druck auf die Politik ausüben. Denn nach wie vor werden jährlich geschätzte 360 Millionen Tonnen Kunststoffe produziert – und das bei steigender, statt fallender Tendenz. 13 Millionen davon landen aktuell jährlich in den Weltmeeren.

Wenn nicht rasch gegengesteuert wird, dann ist laut Report der UN mit einer Verdoppelung der Plastikproduktion in den kommenden zehn bis 15 Jahren zu rechnen – und damit auch mit einer Verdoppelung der in die Ozeane gelangenden Menge.

Eindämmung der Produktion einerseits, andererseits aber auch Forschung und Entwicklung, Entsorgung und Recycling andererseits müssen daher viel stärker in den Fokus der Wissenschaft, aber auch der Politik rücken.

Alternativen in Sicht?

Fakt ist – das Problem ist nicht neu, und immer mehr Staaten setzen radikale Maßnahmen um die Plastikflut in den Griff zu bekommen. Ruanda, das sauberste Land Afrikas, hat seit Jahren ein strenges Plastikverbot und auch Österreich wird 2020 immerhin plastiksackerlfrei. Und das ist gut so.

Doch welche Stoffe werden Plastik ersetzen und wie sieht deren Umweltbilanz aus? In einschlägigen Foren wird in diesem Zusammenhang immer wieder von PLA geschwärmt. Doch was ist PLA?

PLA1 steht als Kurzform für Polylactid Acid, umgangssprachlich: Polymilchsäuren. Daraus kann tatsächlich ein Kunststoff gefertigt werden, der aus natürlich nachwachsenden Rohstoffen wie z.B. Maisstärke gewonnen wird. Bei PLA handelt es sich also de facto um biologisch abbaubaren Kunststoff. Allerdings hat PLA nur eine Hitzebeständigkeit von bis zu 40 Grad Celsius, wodurch es sich als Verpackungsmaterial nicht in allen Fällen eignet. Aber dafür kommt es in einem anderen Bereich breit zum Einsatz: Einwegsgeschirr.

Kaum ein Festival nach dessen Ende nicht ein riesiger Berg Plastikmüll aus Tellern, Bechern und gebrauchtem Besteck übrig bleibt. Die Alternative: nachhaltiges Bio Einweggeschirr.

Einweggeschirr aus dem aus pflanzlicher Stärke hergestelltem PLA verursacht im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffen, die auf Erdöl basieren, bei der Produktion 79 % weniger CO2-Emissionen. PLA sieht konventionellem Plastik aber zum Verwechseln ähnlich und hat – bis auf die weniger große Hitzebeständigkeit – auch die gleichen Vorteile. Es ist leicht und stabil und hält als Verpackung seinen Inhalt lange frisch. Achtung also vor zu schnellen Urteilen!

Auch aus Palmblatt- und Zuckerrohr hergestellte Bioteller sind extrem reiß- und bruchfest, zudem wasserdicht und fettresistent und halten Lebensmittel lange frisch. Einweggeschirr aus Zuckerrohr besteht aus Bagasse, einem Nebenprodukt der Zuckerrohrproduktion, das auf diese Art gewinnbringend und wie nebenbei weiterverarbeitet werden kann.

Palmblatt Einweggeschirr wird aus der Betelnusspalme, genauer gesagt aus deren Blättern, hergestellt. Da diese Palmenart ohnedies zwei bis dreimal pro Jahr ihre Blätter abwirft, kann Palmblatt Biogeschirr aus natürlichen Abfallprodukten hergestellt werden, ohne dass überhaupt Rohstoffe geopfert werden müssen. Auch Einwegteller aus Papierfaser bzw. Karton sind stabil und kompostierbar – rein optisch geben allerdings Teller aus Palmblatt oder Zuckerrohr viel mehr her.

Kompostierbarkeit?

Biobasierter Kunststoff wie Polymilchsäure (PLA) kompostieren in der Natur im Gegensatz zu erdölbasierten Kunststoffen innerhalb sehr kurzer Zeit vollständig. Bis auf die natürlichen organischen Grundsubstanzen bleiben keine giftigen Reststoffe wie Chlor- / Kohlenwasserstoffverbindungen oder andere anorganische Verbindungen zurück. Dennoch gehören diese kompostierbaren Verpackungen NICHT in den Biomüll! Doch warum?

Viele Kompostierungsanlagen „arbeiten“ in einem rund sechswöchigen Rhythmus. Der Biomüll hat also maximal sechs Wochen Zeit, in seine Bestandteile zu zerfallen. Obwohl PLA1 im Vergleioch zu erdölbasierten Kunststoffen sehr schnell zerfällt, sind seine Fragmente nach sechs Wochen für eine weitere nachhaltige Verwertung schlichtweg noch zu groß.

Andererseits gibt es noch nicht ausreichend komplett kompostierbare Verpackungen und Einweggeschirr, als dass sich eine getrennte Sortierung und Zuführung an spezielle Kompostierungsanlagen rechnen würde. Das wäre weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Eine Kompostierung über „normale“ kommunale Kompostieranlagen ist aber ebensowenig sinnvoll, da sie zuviel Energie und Ressourcen verbrauchen würde. Obwohl diese ryclebaren Stoffe also in der Natur komplett kompostierbar sind, wird von Umweltschutzeinrichtungen die Entsorgung über den Recycling-Müll mit anschließender thermischer Verwertung empfohlen.

Wir sehen – Lösungen und Antworten rund um das Thema Plastikalternativen sind komplex. Es wird uns allerdings nichts anderes übrig bleiben, als uns dieser Komplexität zu stellen – ein Weitermachen wie bisher ist nämlich offensichtlich auch nicht möglich. Denn sonst werden die Klimaerwärmung und das mikroplastikbedingte Artensterben – aktuell sterben jedes Jahr rund 100.000 Meerestiere und Seevögel an den Folgen von Plastikmüll – rasant weitergehen. Und mit jeder Art die verschwindet, wird das Zeitfenster kleiner, das wir als Menschheit haben, um unser Überleben auf diesem Planeten sicherzustellen. Die Erde selbst wird ohne Zweifel nämlich auch diese Bedrohung überleben – nur ob mit oder ohne uns Menschen, das ist die Frage.

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Zitate:

„Wenn wir es wegwerfen, ist es nicht weg – sondern zum Beispiel im Hals oder im Magen anderer Arten.“
Craig Leeson, Regisseur, „A Plastic Ocean“, Juli 2017


„Wir produzieren, nutzen zu viele Kunststoffe, zu viel Plastik, die trotz Recycling zu Abfällen werden“
Günther Oettinger, EU-Kommissar, Januar 2018

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Quellen:

¹ Wie nachhaltig ist Biokunsttoff wirklich?
² Bioeinweggeschirr

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