Doping für Hobbysportler

Doping für Hobbysportler

Von Mag. Birgit Weilguni

Das Entsetzen über Spitzensportler, die unerlaubte „Hilfsmittel“ einsetzen, um ihre Leistungen zu pushen, ist meist groß. Dabei ist Doping im Hobbysport ebenfalls längst angekommen – und um nichts weniger fragwürdig.

Die Doping-Razzia, genannt Operation Aderlass, bei den Langläufern in Seefeld vergangenes Jahr, für die es jüngst gerichtliche Verurteilungen gab, Radprofis von Bernhard Kohl über Jan Ullrich bis Lance Armstrong, die Selbstanzeige erstatten oder erwischt werden, Sperre des gesamten russischen Leichtathletikverbands aufgrund eines organisierten Dopingsystems – die Liste lässt sich noch lange fortsetzen. Doping ist längst eine relevante Größe im Spitzensport und wird streng geahndet.

Was Profis hilft, …

Was die Leistung von Spitzensportler erhält oder steigert, kann dies aber natürlich auch für Hobbysportler tun. Die leichte Verfügbarkeit vieler – verbotener – Substanzen über soziale Medien stellt zudem alles andere als eine Hürde dar. Alles ist jederzeit für jedermann erhältlich – ob nun legal oder nicht so ganz legal. Der Versuchung standzuhalten, wenn Substanzen einfach zu bekommen sind, ist eben unvergleichlich schwerer, als wären sie nur über illegale Wege verfügbar.

Eine Pille, um länger durchzuhalten, ein anderes, um wacher zu bleiben, ein drittes, um den Muskelaufbau zu unterstützen – Doping ist einfach, aber gefährlich. Selbst junge Frauen greifen zur fragwürdigen Unterstützung, um die Fettverbrennung beim Aerobic zu pushen.

Kürzlich war in Schweizer Medien zu lesen, dass fast jeder fünfte Hobbysportler dopt. Auch „unbewusstes“ Doping, die irrtümliche Einnahme verbotener Substanzen, wird thematisiert, doch seriöse Statistiken gibt es zu diesem Thema kaum.

Mag. Wilhelm Lilge ist unter anderem Lauftrainer, Olympiatrainer und Leiter des „team2012.at“ – und einer der bekanntesten und leidenschaftlichsten Dopinggegner des Landes, der auch Vereinen und Institutionen für Anti-Doping-Vorträge zur Verfügung steht. Er würde auch diesbezügliche Befragungen eher mit Vorsicht genießen. „Schätzungen von Experten gehen davon aus, dass 5 bis 10 % aller Fitnesscenter-Besucher zu Dopingmitteln greifen, aber selten ‚unbewusst‘.“ Das Mascherl des „Unbewussten“ ist wohl in den allermeisten Fällen eher Schönfärberei.

Leider nicht nur Trend

Lilge sieht den „Trend zum Doping im Hobbysport“ sehr kritisch: „Es handelt sich dabei um keinen – zeitlich begrenzten – ‚Trend‘, sondern das gab es praktisch immer schon. Doping im Hobbysport wird sich nur schwer eindämmen lassen, wenn der Kampf dagegen nicht ernsthaft geführt wird“, mahnt Lilge. Einen wesentlichen Unterschied zum Spitzensport gibt es allerdings: „Spitzensportler dopen meist, um sich einen Vorteil zu verschaffen, etwa bezüglich Preisgelder, Sponsorverträge oder Plätze bei Bundesheer und Polizei.

Daher kommt mitunter auch der Betrugsparagraf zur Anwendung. Es geht also nicht nur um Ruhm und Ehre, sondern immer öfter auch um viel Geld.“ Doping im Hobbysport, wo es „um die goldene Ananas“ geht, sei eher ein Fall von Medikamentenmissbrauch und ein psychologisches Problem.

Gedopt werde im Hobbysport sowohl von Sportlern, die bei Lauf-, Triathlon-, Radsport- oder sonstigen Wettkämpfen antreten, als auch von Fitnesscenter-Besuchern, die nicht primär wegen der Leistung zu Dopingmitteln greifen, sondern um das körperliche Erscheinungsbild zu verändern, erklärt Lilge und ergänzt: „Im Hobby-Wettkampfsport sind die Mittel oft nicht anders als bei den Profis, also EPO, Wachstumshormone, Aufputschmittel etc., bei Fitnesscenter-Besuchern sind es Mittel, die vor allem den Muskelaufbau fördern, wie anabole Steroide oder Wachstumshormone.“

Wann ist was verboten

Doping ist nicht nur gegeben, wenn Substanzen eingenommen werden, die man nicht bräuchte. „Es gibt keine Grauzone“, stellt Lilge richtig. „Doping im Sport ist klar definiert: Doping ist das, was nach den Antidopingbestimmungen verboten ist, also eine Liste von Wirkstoffen und verbotenen Methoden.“ Dazu gehören auch Cortison in Asthmasprays, Ephedrin in Schnupfen- und Erkältungsmitteln oder sogar Homöopathika wie Nux Vomica, das Strychnin enthält, genauso wie Blutmanipulation mit EPO, Erythropoetin, einem Wachstumsfaktor für die Bildung roter Blutkörperchen.

Das bedeutet aber nicht, dass Sportler notwendige Medikamente nicht einnehmen dürfen: „Jeder Sportler, der aus Krankheitsgründen ein Medikament benötigt, darf dieses natürlich auch nehmen“, sagt Lilge. „Ephedrin ist auch bei Spitzensportlern im Training uneingeschränkt erlaubt und nur im Wettkampf eingeschränkt verboten – es gibt eine Mengengrenze. Ein Sportler ist jedenfalls keinesfalls ein ‚Patient zweiter Klasse‘.“ Wobei ein Sportler, der wegen einer Erkrankung Ephedrin benötigt, ohnehin an keinem Wettkampf teilnehmen sollte.

Dass harmlose Medikamente, etwa gegen Erkältungen, auf der Dopingliste stehen, hält Lilge für ein Märchen. Wenn überhaupt, seien diese Mittel in Wettkämpfen verboten, bei denen kein kranker Sportler antreten sollte. Dosierungen, die über ein normales Maß hinausgehen, und die Unterscheidung zwischen Training und Wettkampf stellen dabei relevante Größen dar.

Kein Vorteil ohne Gefahren

Die möglichen langfristigen Schäden durch die Einnahme von Dopingmitteln haben es durchaus in sich. „Anabole Steroide und Wachstumshormone – sie fördern auch das Tumorwachstum – können verheerende und tödliche Langfristfolgen haben“, warnt der engagierte Dopinggegner. „Anabolika verändern zuerst das Hautbild – bekannt ist die ‚Anabolika-Akne‘ vor allem auf Schultern und Rücken –, aber auch gravierend das Blutbild.

Es gibt viele Todesfälle bei Sportlern, die offiziell nicht dem Dopingmissbrauch zugeschrieben werden, weil es ohne Verdacht auf Fremdverschulden auch keine angeordneten Obduktionen gibt.“ Anabolika, das Dopingmittel Nummer eins für Kraftsportler, kann neben Akne auch zu Persönlichkeitsveränderungen, Leberschäden, Vermännlichung von Frauen, Hodenatrophie oder Brustdrüsenvergrößerungen bei Männern führen.

Im Spitzensport wird Doping unter anderem mithilfe von Razzien, engmaschigen Kontrollen und medialer Verurteilung bekämpft. Dennoch wünscht sich Lilge „eine Verschärfung der Strafbestimmungen und generell ein Strafrecht für Doping wie in anderen Ländern“. In Deutschland, Italien oder Frankreich sind die Folgen für ertappte Dopingsünder deutlich rigoroser.

Im Hobbysport funktionieren diese Maßnahmen leider nicht, denn abgesehen von tatsächlich illegalen Substanzen schaden Wettkämpfer, die ihre Leistungen pushen, vor allem sich selbst. „Im Gesundheits- und Hobbysport kann meiner Ansicht nach eine Veränderung nur über Bewusstseinsbildung und Aufklärung passieren“, sagt Lilge abschließend. Vorübergehende Erfolge haben offensichtlich noch immer mehr Strahlkraft als mittel- und langfristige dramatische Gesundheitsschäden.

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