Von Mag. Birgit Weilguni
In sozialen Medien, im TV oder in Magazinen genießen Anbieter von Tipps für das ideale Workout zu Hause viel Zuspruch. Optisch durchaus ansprechend sind Übungen mit wenig oder sogar ohne Gerät, die – regelmäßig praktiziert – eine perfekte Körperformung und eine beneidenswerte Kondition versprechen. Bloß: Wie realistisch ist es, den Kampf gegen den inneren Schweinhund daheim, vielleicht sogar ganz alleine zu gewinnen?
Yoga-Sessions mit oder ohne beruhigende Musikuntermalung, Hunderte Sit-ups, Planks und Crunches oder Cross-Trainer, Rudergerät, Ergometer oder Streckbank – Fitness zu Hause boomt, was angesichts stetig steigender Verkaufszahlen bei Fitnessgeräten und Fitnesskleidung deutlich wird. Längst sind große Diskonter auf den Zug aufgesprungen und bieten um wenig Geld Fitnessgeräte für jeden Geschmack und Bedarf an. Die entsprechende Fitnesskleidung gehört selbstverständlich auch dazu. An der Ausstattung kann es also kaum scheitern, doch wie steht es mit der Motivation, wenn man nicht unter Beobachtung steht und sich aus reiner Eigeninitiative durchringen soll?
Eintönigkeit muss nicht sein
Für jede Präferenz gibt es eine Lösung. Ob nun LISS, HIIT, HIT oder Tabata – die Vielfalt ist größer als erwartet. LISS – Low Intensity Steady State bezeichnet langes, aber nicht vollintensives Ausdauertraining, also laufen, schwimmen, walken oder Ergometer in einem Tempo, das gut verträglich ist. HIIT ist Hoch-Intensitäts-Intervall-Training bzw. maximale Power in kurzer Zeit. Längeren, sehr intensiven Intervallen mit Kraftübungen folgen kurze Pausenintervalle.
Dabei wird viel Energie verbrannt und der Stoffwechsel angekurbelt. Im Nachbrennmodus arbeitet der Körper noch ein Weilchen Kalorien ab. Tabata bezeichnet eine Sonderform von HIIT und umfasst acht Intervalle zu je 20 Sekunden Belastung und zehn Sekunden Pause. Kraftausdauer, Herz-Kreislauf-System und Sauerstoffaufnahme stehen dabei im Fokus. HIT, Hochintensitätstraining, ist eigentlich nur für Trainingsroutiniers gedacht, denn dabei geht es darum, die Muskeln an ihre Grenzen zu bringen.
All diese trendigen Trainingsformen funktionieren alleine oder in Gesellschaft, mit Trainingsgeräten oder ohne. Wichtig dabei: ein Trainingsplan, mit dem vorab festgelegt wird, was wann und wie lange, wie intensiv und wie oft gemacht werden soll – ob nun mit oder ohne Geräte. Außerdem ist grundsätzlich eine Kombination aus Ausdauer und Kraft empfehlenswert. Und auch eine entsprechend ausgewogene Kost unterstützt das Ergebnis besser als ein Junk-Food-Mix.
Für welche Übungen man sich entscheidet, hängt letztlich davon ab, was man erreichen möchte: Ausdauer und Kondition, Beweglichkeit, generell besser definierte Muskeln, weniger Bauch, schlankere Beine, mehr Sprungkraft, einen stärkeren Rücken- und Nackenbereich? Für jedes Ziel gibt es die idealen Übungen, die unzählige Fitnessexperten online empfehlen. Anhand der Tipps und Möglichkeiten lassen sich zieloptimierte Trainingspläne erstellen.
Sparen beim Equipment
Gewichte können zu Hause mit Wasserflaschen ersetzt werden, Möbel ersetzen Geräte. Liegestütze, Kniebeugen & Co werden anstelle von komplexen und oft teuren Fitnessgeräten eingesetzt. Anweisungen auf DVD oder im Internet beinhalten auch potenzielle Fehlerquellen und sollten anfangs jedenfalls mit Ton genossen werden. Sanftes Aufwärmen beugt Verletzungen vor und zwischendurch Durchatmen bringen den Puls wieder auf Normalhöhe.
Die Fachbegriffe der Übungen zeigen deutlich, aus welcher Ecke des Globus die meisten Übungen stammen: Crunches, Knee-Lift, Reverse-Fly, Plank, Sit-up, Leg-Curl oder Step-Back wurden meist von findigen amerikanischen Fitnesstrainern kreiert.
Der unübertroffene Vorteil: Sie alle funktionieren ohne Gerät. Workout-Programme können im Internet heruntergeladen werden und erfüllen mit Laptop, Tablet oder Handy allerorts ihren Zweck. Begonnen wird mit kurzen Einheiten von fünf bis zehn Minuten, die dann je nach Fortschritt gesteigert werden können. Irgendwann gehören die Übungen zum täglichen Tagesablauf wie Zähneputzen oder Morgenkaffee.
In weiterer Folge sind freilich Laufband, Ergometer, Crosstrainer oder Rudergerät möglicherweise gut investiertes Geld, doch ein Muss sind sie keinesfalls.
Sieger im Kampf gegen den Schweinehund
Einige schlagende Argumente sprechen klar für das Training zu Hause: „Trainieren zu Hause ist günstiger, flexibler, entspannter und effektiver“, fasst die Hammer Sport AG, Lieferant für Trainingsprodukte auch für den Heimbedarf, zusammen.
Zwischendurch zehn, fünfzehn Minuten Fitnesstraining funktioniert nur zu Hause, Aufwände wie Parkplatzsuche, ein starres Zeitmanagement, die Organisation von Betreuung für Kind & Kegel, immerwährende Verfügbarkeit, unpassende Musik oder zu viel Publikum sind in den eigenen vier Wänden kein Thema. Gegen die Regelmäßigkeit spricht jedoch die Tatsache, dass man alleine ist und sich ohne Einfluss von außen überwinden muss.
Wer einige Regeln beachtet, hat jedoch zumindest gute Voraussetzungen, den inneren Schweinehund zu besiegen und regelmäßig zu trainieren:
- Ein Fixtermin im Kalender erleichtert die Phase, bis das Training selbstverständlich wird.
- Wohin willst du? Ein Bild in prominenter Position, das zeigt, wie man aussah, als man noch fit war, oder wie jemand aussieht, den man gut findet, spricht das Gewissen an.
- Übungen und Geräte variieren – die Eintönigkeit ist der Feind der Überwindung.
- Musik, Hörbuch oder TV lenken von eintönigen Übungen ab.
- Einen Freund einzuweihen oder sogar einzuladen mitzutrainieren, hilft ebenfalls.
- Plan und Protokoll: Das beste Workout-Protokoll überzeugt nur halb, wenn es nicht belegt, welche Pläne damit erfüllt wurden. Daher ist es klug, zunächst einen Fitnessplan zu erstellen und dann zu protokollieren, wann man was eingehalten hat. Das kann übrigens auch ein Fitness-Tracker.
- Hilfe zum Start ist nicht verboten, sondern manchmal die beste Entscheidung. Der Personal Trainer, der Tipps gibt und Übungen maßschneidert, weiß genau, was er tut und stützt dadurch die Sinnhaftigkeit der Übungen.
- Training ist Training und sonst nichts, also dazwischen kein Telefon, kein Snack und kein Blick auf soziale Medien.
- Spardose: Zur Belohnung pro Fitnesseinheit zwei Euro oder das Geld, das man für nicht konsumierte Naschereien ausgegeben hätte – schon bald geht sich damit ein neues Outfit aus.
- Apps und Fitness-Tracker helfen bei der Motivation, indem sie das Bewegungspensum überwachen und warnen, wenn es nicht reicht. Ist nicht für jeden ideal, aber für viele.
Unterstützung zum Start
Übrigens: Eine Fitnessstudiokette in Deutschland hat erhoben, dass 31,3 Prozent aller Deutschen zu Hause regelmäßig Sport betreiben, 39,1 davon Fitnesstraining, 32 Prozent Joggen und 31,2 Prozent Radfahren. 35,4 Prozent der Befragten gaben an, sich dabei zu organisieren, also mit anderen gemeinsam loszulegen.
Gerade für den Anfang nehmen der Teamgeist und die Gefahr der Peinlichkeit viel Risiko des Scheiterns aus dem Vorhaben. Wenn es nicht die Freunde sind, unterstützt auch ein Personal Trainer die Ambitionen.
Ein letzter Tipp zum Schluss: Verschieben Sie die Fitnesspläne nicht, sondern starten Sie so rasch wie möglich. Für den Anfang tut es ein sanftes Workout mit einfachen Übungen. In regelmäßigen Abständen wird variiert und immer ein wenig länger trainiert – und schon bald gehört das Fitnesstraining zu Hause zu den Dingen, die wir uns gönnen – mit zuverlässigem Gesundheitseffekt.
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