Aromastoffe – unser „aromatisiertes“ Leben

Aromastoffe

Von Birgit Weilguni

Sie sind überall, doch meist registrieren wir sie gar nicht mehr als das, was sie sind: Aromen. Sie modifizieren unsere Nahrung, unsere Reinigungsmittel, aber tauchen auch an ganz anderen Orten auf. In den allermeisten Fällen überraschen sie durch sehr hilfreiche und nützliche Anwendungsbereiche. Ohne sie wäre unser Leben jedenfalls olfaktorisch weniger „bunt“.

In der Natur hat man bislang rund 10.000 Aromastoffe identifiziert, von denen etwa 2.500 zur Herstellung von Aromen eingesetzt werden. Irene Berge Schuster, MBA, ist Marketing Managerin bei Givaudan Austria GmbH, einem der größten Aromaproduzenten weltweit. Sie erklärt, welchen Zweck Aromen erfüllen: „In der Nahrungsmittelproduktion wird Aroma zugesetzt, um vor allem Geschmack zu entwickeln. Mit Aroma bezeichnen wir die gesamte Palette an Empfindungen, die wir beim Essen und Trinken haben.

Aroma umfasst dabei nicht nur den Geschmack oder Geruch eines Nahrungsmittels, sondern auch physikalische Empfindungen wie ‚heiß‘ – etwa bei Zimt – oder ‚kalt‘ – beispielsweise bei Pfefferminz. Aromen sind jedoch nur für den Geschmack zuständig, sie liefern keinerlei Nährstoffgehalt.“

Neben Nahrungsmitteln enthalten freilich auch Reinigungsmittel, Kosmetik oder Medikamente Aromastoffe. Hier werden beispielsweise Bitterstoffe zugesetzt, um einen irrtümlichen Verzehr zu verhindern. In Frage gestellt wird allerdings meist ihre Rolle in der Nahrungsmittelindustrie.

Eine Imitation der Natur

Ob ein Aromastoff als natürlich und künstlich eingestuft wird, hängt einerseits von der Quelle der Substanzen ab, die für seine Produktion verwendet werden, und andererseits von den Produktionsmethoden. Natürliche Aromen stammen aus der Natur, das bedeutet, erklärt Berge Schuster, dass „die Inhaltsstoffe aus natürlichen tierischen Materialien oder aus Pflanzenölen gewonnen werden, indem Prozesse angewandt werden, die in einer herkömmlichen Küche ebenso reproduziert werden könnten“. Für Aromen hingegen, die nicht als natürlich eingestuft werden, werden chemische Prozesse herangezogen. „Sie werden also nicht direkt aus der Natur gewonnen“, erläutert Berge Schuster, „obwohl der überwiegende Teil davon durchaus in der Natur identifiziert wurde.“

Selbstverständlich haben Aromen zahlreiche Vorteile – immerhin wurden sie erfunden, um den Geschmack von Lebensmitteln zu verbessern. Sie helfen Nahrungsmittelproduzenten beispielsweise, die Lieblingsspeisen und -getränke ganzjährig verfügbar zu machen, während bestimmte Rohmaterialien saisonal und geografisch bedingt nur eingeschränkt erhältlich sind. „Außerdem helfen sie, den Fett-, Zucker- und Salzgehalt ohne Einbußen beim Geschmack der Produkte zu reduzieren“, freut sich Berge Schuster, was freilich in Zeiten von immer stärker verbreiteten Zivilisationserkrankungen wie Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen durchaus Vorteile mit sich bringt. Schließlich verlieren viele Lebensmittel im Laufe von für Lagerung und Haltbarkeit notwendigen Verarbeitungsprozessen wie Pasteurisierung oder Tiefkühlen ihren Geschmack, der durch Aromastoffe wiederhergestellt wird.

Inhaltsstoffe BananeFotocredit: Fotolia.com | Montage herz-as.com

Zugesetzte Aromen müssen gekennzeichnet werden. Einmal mehr lohnt sich also der Blick auf die Zutatenliste: Ist darin kein Aroma – ob nun natürlich oder nicht – enthalten, dann wurde auch keines zugesetzt. Berge Schuster verweist auf die Forschungsarbeit von James Kennedy aus Haileybury, Australien, der natürliche Aromen eingehend untersuchte. Würde man die Inhaltsstoffe einer vollkommen natürlichen Banane auszeichnen, würde diese Liste ähnlich aussehen wie jene von ‚aromatisierten‘ Bananen, denn auch naturbelassene Lebensmittel enthalten Aromen, stellte Kennedy fest. Er wollte mit den „Inhaltsstoffen einer naturbelassenen Banane“ beweisen, dass „natürliche“ Produkte normalerweise viel komplizierter sind als alles, was wir im Labor herstellen könnten.

Berge Schuster betont, dass es Unternehmen wie Givaudan fernliegt, negative Aspekte zu verfälschen oder zu verschleiern. „Aromen sind Kernbestandteile aller Nahrungsmittel. Wir essen gerne, weil wir dabei angenehme Geschmackserfahrungen machen. Industriell hergestellte Aromen sind lediglich dazu gedacht, bestehende Aromen nachzubauen und zu unterstützen, die durch den Verarbeitungsprozess verloren gegangen sind“, erklärt die Expertin abschließend. „Daher werden Aromen auch in sehr geringen Mengen zugesetzt und sind immer ähnlich jenen, die bereits vorhanden sind. Werden sie verwendet wie vorgesehen, können Aromen bedenkenlos konsumiert werden. Die Nahrungsmittelindustrie unterliegt strengsten Reglementierungen und Givaudan arbeitet mit höchsten Standards. Nichts ist für Aromenproduzenten wichtiger als die Sicherheit der Inhaltsstoffe unserer Nahrung.“

Alles „dufte“?

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, die WHO, aber auch jedes einzelne Land überprüft regelmäßig bzw. laufend eine potenzielle Gesundheitsgefährdung durch Aromastoffe. Die Fülle an Aromen macht diesen Job nicht gerade einfach. Einige wenige Aromastoffe wurden aufgrund von Tests von der Liste der zugelassenen Aromastoffe gestrichen. Da jedoch der weitaus größte Teil der Aromen auch natürlich vorkommt, kann ihr Konsum bedenkenlos empfohlen werden. Dazu kommt, dass sie aufgrund ihrer Geschmacksintensität nur in sehr kleinen Mengen zugesetzt werden, was insbesondere bei Röst- oder Raucharomen relevant ist.

Der Verdacht, dass Aromen in Nahrungsmitteln Allergien auslösen können, wurde – laut Industrie – weitgehend entkräftet, da das Immunsystem hauptsächlich auf größere Moleküle wie etwa Proteine reagiert. Demnach können Aromen – so die Hersteller – allerhöchstens einen minimalen Anteil an Lebensmittelallergien haben.

Duftstoffallergien allerdings sind auf dem Vormarsch, wie die Österreichische Umweltberatung bestätigt. Am häufigsten reagieren Betroffene dabei auf den so genannten Duftstoff-Mix und auf so genannte Indikatorallergene wie Perubalsam oder Kolophonium, die in vielen Kosmetika, Wasch- und Putzmitteln enthalten sind. Das Problem: da allein ein Parfum aus bis zu 300 oder mehr verschiedenen Duftstoffen bestehen kann ist eine Bestimmung des genauen Auslösers einer Duftstoffallergie praktisch unmöglich.

Da die Wirkung vieler Duftstoffe auf den menschlichen Organismus noch nicht ausreichend erforscht ist, propagieren Ökotoxikologen Einschränkung bei der Verwendung von Raumsprays, Räucherstäbchen & Co. als beste Prophylaxe.

Aromastoffe in Lebensmittel – was bedeutet was?

Natürliche Aromastoffe sind Aromastoffe, die durch gesetzlich festgelegte physikalische (z. B. Destillation und Extraktion), enzymatische oder mikrobiologische Verfahren gewonnen werden. Ausgangsmaterialien für die Herstellung können pflanzlichen, tierischen oder mikrobiologischen (z. B. Hefen) Ursprungs sein; sowohl die Ausgangsstoffe als auch die Herstellungsverfahren sind natürlich. Natürliche Aromastoffe müssen in der Natur nachgewiesen worden sein. Zu den natürlichen Aromastoffen gehört zum Beispiel natürliches Vanillin oder Pfefferminze.

Um Missverständnissen vorzubeugen: auch wenn die Bezeichnung etwas anderes suggeriert, bei als „natürlich“ ausgewiesenen Aromen ohne Angabe ihrer Herkunft ist davon auszugehen, dass sie biotechnologisch aus anderen Ausgangsstoffen erzeugt wurden, d. h. unter Verwendung von Bakterien, Pilzen oder Enzymen. „Natürliches Aroma“ in Himbeerjoghurt stammt also keineswegs aus Himbeeren sondern wird meist aus dem Öl von Zedernholzspäne gewonnen.

Nur wenn beim natürlichen Aroma der Rohstoff angegeben wird, zum Beispiel „natürliches Himbeeraroma“, so muss das Aroma auch zu mindestens 95 Prozent aus dem benannten Lebensmittel stammen, also mit rein physikalischen Verfahren aus den betreffenden Nahrungsmitteln oder Gewürzen extrahiert worden sein.

Synthetische Aromastoffe entstehen mithilfe synthetischer Verfahren. Bei ihnen handelt es sich entweder um naturidentische Aromastoffe oder künstliche Aromastoffe. Die naturidentischen Aromastoffe folgen einem Vorbild in der Natur und entsprechen in ihrer Molekularstruktur ebendiesem Vorbild, z. B. synthetisch hergestelltes Vanillin. Künstliche Aromastoffe hingegen haben kein Vorbild in der Natur.

Aromaextrakte sind komplexe Gemische natürlicher Aromastoffe. Zum Beispiel gibt es Extrakte aus Früchten, Gewürzen, Kräutern, Fleisch, Fisch und Gemüse. Sie werden genauso gewonnen wie natürliche Aromastoffe und unterliegen den gleichen gesetzlichen Anforderungen. Beispiele: Citrus-, Anis- oder Fenchelöl.

Reaktionsaromen werden durch kontrolliertes Erhitzen einer Mischung aus verschiedenen Zutaten gewonnen, die nicht unbedingt selbst Aromaeigenschaften besitzen. Wie beim Backen und Braten entstehen dabei Röstaromen. Wichtige Ausgangssubstanzen sind Stickstoff (z. B. aus Eiweißbausteinen) und ein reduzierender Zucker (z. B. Traubenzucker).

Raucharomen werden aus Rauch hergestellt, der bei den herkömmlichen Verfahren zum Räuchern von Lebensmitteln eingesetzt wird. Dazu werden bestimmte Hölzer unter kontrollierten Bedingungen (Temperatur, Luftzufuhr etc.) verbrannt. Der Rauch wird in Wasser eingeleitet, fraktioniert und gereinigt. Dabei werden „Primärrauchkondensate“ gewonnen, aus denen unter Verwendung von Trägerstoffen Raucharomen hergestellt werden.

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