Therapeuten mit vier Pfoten

Therapeuten mit vier Pfoten - tiergestützte Therapie

Von Mag. Birgit Weilguni

Tiergestützte Therapie bedingt, dass der menschliche Therapeut eine fundierte Ausbildung als Fachkraft für tiergestützte Therapie genießt. Mit entsprechend geeigneten Tieren ist dann gesichert, dass der therapeutische Effekt, den Patienten mit vielfältigen Beschwerden in Anspruch nehmen, auch tatsächlich eintritt. Dass die felligen – oder fedrigen – Begleiter nachhaltig positiv auf Menschen wirken können, ist längst wissenschaftlich belegt.

Eines gleich vorweg: Blindenführhunde sind keine Therapietiere, sondern Assistenzhunde bzw. Servicetiere. Sie haben vermutlich in vielen Fällen auch therapeutische Effekte, aber ihr Einsatz verfolgt andere Ziele.

Laut Definition nach ESAAT (European Society for Animal Assisted Therapy) umfasst tiergestützte Therapie „bewusst geplante pädagogische, psychologische und sozialintegrative Angebote mit Tieren für Kinder, Jugendliche, Erwachsene wie Ältere mit kognitiven, sozial-emotionalen und motorischen Einschränkungen, Verhaltensstörungen und Förderschwerpunkten.

Sie beinhaltet auch gesundheitsfördernde, präventive und rehabilitative Maßnahmen“. Vorstellen können wir uns eine tiertherapeutische Sitzung so, dass ein Therapeut Tier und Patient zusammenbringt und ihre Reaktionen aufeinander, ihre Interaktion und „Kommunikation“ interpretiert und lenkt – involviert sind also im Normalfall immer drei Handelnde: Patient, Therapeut und Tier.

Die Reaktionen des Tiers auf den Patienten „lassen Rückschlüsse auf Beziehungen und Beziehungsmöglichkeiten“ zu, erklärt Dr. Dieter Schaufler, Arzt und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Tiergestützte und Naturgestützte Therapie sowie Tiertherapeut mit Praxis am Mauritiushof.

Tiergestützte Therapie: Auch Hühner helfen Therapeuten

Grundsätzlich sind viele Tierarten geeignet, therapeutischen Nutzen zu bringen, aber nicht individuell jedes Tier kann das. Hunde, Katzen, Pferde, Lamas, Ziegen, Kaninchen, ja, sogar Hühner werden eingesetzt, um Herz-, Schlaganfall-, Alzheimerpatienten, Patienten mit Sprach- und Bewegungsstörungen, körperlichen und geistigen Behinderungen, Depressionen, Verhaltensauffälligkeiten, Schmerzen, in der Rehabilitation oder der Drogenabhängigkeit zu helfen.

Aufseiten des Therapeuten ist ganz klar eine entsprechende Ausbildung Voraussetzung, stellt Schaufler klar. „Viele Therapeuten sind Ärzte, Psycho- oder Ergotherapeuten“, so Schaufler. „Gestützt werden sie durch eine Zusatzausbildung.“ Ein eigenes, geregeltes Berufsbild als Fachkraft gibt es trotz Bemühungen der heimischen Ausbildner und des europäischen Dachverbands ESAAT leider nicht, bedauert Helga Widder, Geschäftsführerin TAT (Verein Tiere als Therapie).

Exoten als Therapeuten?

Geschadet hat den Initiativen zur Etablierung der tiergestützten Therapie zweifelsohne der Hype, der vor einigen Jahren rund um die Delphintherapie entstand. Widder und Schaufler halten davon recht wenig, da die „Tiere unter tierschutzwidrigen Bedingungen gefangen und gehalten werden und die Wirkung mehr als zweifelhaft ist“, wie Widder betont.

Es sei auch gar nicht notwendig, lange Anreisen und großen Aufwand auf sich zu nehmen oder Tiere aus ihrer gewohnten Umgebung zu reißen – „ein Hendl tut’s auch“, sagt Schaufler mit Augenzwinkern und meint das durchaus ernst: „Je häufiger ein Kontakt mit einem Therapietier stattfindet, desto positiver ist der Effekt – und das gilt auch für Hühner.“
Gut etabliert sind Therapien mit Pferden – die sogenannte Hippotherapie – oder Hunden, aber auch viele andere Arten eignen sich hervorragend. „Ziegen sind etwa die einzigen Tiere, die aus freien Stücken uns Menschen begleiten. Eine Ziegenherde bleibt immer geschlossen – vorne die Böcke, hinten die Schutzziege. Diese Tiere können weit mehr spüren, als wir glauben“, so Schaufler.

Egal, um welches Tier es sich handelt – „das Zusammenleben mit Tieren hat mich Demut gelehrt“, ist Schaufler nachdenklich und ergänzt: „… und auch immer wieder Betroffenheit. Sie kommunizieren ständig mit uns und wir verstehen so wenig. Bei der Tiertherapie werden wir Menschen in unserer Wahrnehmung gestützt. Wir funktionieren sonst nur über die Sprache, Tiere nicht. Für den Hund, die Ziege oder das Huhn genügt oft nur ein Blick und sie verstehen uns.“

Die Frage sei, ob es möglich ist, dass wir über unsere Sinne kommunizieren – ohne Sprache. Auswirkungen hat die nonverbale Kommunikation in jedem Fall auf den Menschen. Nach einer tiertherapeutischen Begegnung wurden durchwegs höhere Oxytocin-Werte beim Menschen gemessen.

Steigende Anerkennung

Wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise für die tiergestützte Therapie gibt es laut beiden Experten längst. Dennoch fehlt eine offizielle Anerkennung durch die Schulmedizin und infolge auch eine flächendeckende Bezahlung durch die Krankenkassen. Nur einige wenige Ausnahmen im Bereich des therapeutischen Reitens werden unter Umständen von der Krankenkasse bezahlt.

Ist der Therapeut auch abseits der Tiertherapie ausgebildet, kann er unter Umständen seine Therapiesitzungen unabhängig von den begleitenden Tieren über die Krankenkassen verrechnen, denn „die Therapie macht der Therapeut, nicht das Tier“, sagt Schaufler. Viele Ärzte setzen bereits auf die Kompetenz der tierischen Helfer samt Therapeuten.

Therapie mit Hund

Helga Widder, Geschäftsführerin TAT (Verein Tiere als Therapie)

„Zunehmend hat auch die Schulmedizin den Wert der tiergestützten Therapie erkannt. Ich selbst habe bereits im AKH, auf der Wachkomastation und in der Kinderpsychiatrie mit meinen Hunden gearbeitet. Überall dort wurden wir angefordert“, freut sich Widder.

Wichtig ist Schaufler auch zu erwähnen, dass es nicht nur die Tiere sind, die therapeutische Effekte auslösen können. Auch Pflanzen, eben die gesamte Natur, haben diese Fähigkeit. In einer Studie wurden Patienten untersucht, die nach einer Gallenblasenentfernung ein Krankenbett mit Blick auf eine Wand hatten und welche mit Blick auf einen Baum. Letztere benötigten weniger Schmerzmittel. Die Ergebnisse sprechen also für sich.

In nur sehr wenigen Fällen sind Tier und Patient nicht für die tiergestützte Therapie geeignet. Bei Tieren entscheidet dies der Therapeut, bei Menschen handelt es sich dabei um Patienten mit schweren Allergien, offenen Wunden, manchen psychiatrischen Erkrankungen oder geschwächtem Immunsystem. Bei Tieren funktioniert die Therapie nicht, wenn sie vom Charakter alles über sich ergehen lassen, denn ihre Reaktion ist entscheidend.

„Tiere reagieren wertfrei“, so Schaufler. „Sie antworten unmittelbar, authentisch und unabhängig von Wertesystemen oder diagnostischen Bildern. Sie liefern Informationen, die unserer selektiven Wahrnehmung entgleiten. Aber eine Ö-Norm für Tiere gibt es natürlich nicht.“

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Zitate:

„Tiertherapie ist alles andere als ein Streichelzoo.“
Dr. Dieter Schaufler, Allgemeinmediziner und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Tiergestützte und Naturgestützte Therapie, Tiertherapeut mit Praxis am Mauritiushof, www.zentrum-mauritiushof.at, ww.oegtt.at

„Mittlerweile gibt es unzählige Studien mit Wirksamkeitsnachweisen im In- und Ausland.“
Helga Widder, Geschäftsführerin TAT (Verein Tiere als Therapie), www.tierealstherapie.at

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