Von Kave Atefie
Okay, der Titel kommt etwas martialisch rüber, aber wie hätten wir sonst ihre Aufmerksamkeit bekommen? Sie sehen schon, in Zeiten allgemeiner Reizüberflutung wird es immer schwieriger mit qualitativ hochwertigen Inhalten anzukommen. Da geht es den Bäckereien nicht anders als uns Schreiberlingen. Soviel zum Thema knusprige Überleitung.
Tatsächlich befindet sich die Backbranche nach wie vor in einer gewaltigen Umbruchsphase. Klassische Bäckereien sind zu Nischenproduzenten geworden, ihre Anzahl ist im letzten Jahrzehnt dramatisch gesunken. Laut Statistik der KMU-Forschung ist die Zahl der Bäckereien in Österreich in den Jahren 2005 bis 2012 um über 300 auf 1597 Betriebe zurückgegangen. In Wien gab es vor zwanzig Jahren noch 700 Bäckereien, heute sind es nur mehr knapp mehr als 100.
„Aus kleineren wurden mittlere Unternehmen, mittlere Unternehmen wiederum haben sich zu großen weiterentwickelt“, beschreibt Reinhard Kainz von der Bundesinnung des Lebensmittelgewerbes einen deutlichen Strukturwandel. Gleichzeitig sind die Umsatzerlöse um 15 Prozent auf über 1,5 Mrd. Euro gewachsen. Die industrielle Herstellung und Belieferung des Lebensmittelhandels hat zu dieser Entwicklung wesentlich beigetragen.
Nachdem der Diskonter Hofer bis 2015 um die 100 Millionen Euro für die Erweiterung seiner Filialen mit Backshops eingesetzt hat, ist nun auch der letzte Lebensmittelriese in diesem Bereich eigenständig tätig. Das Match zwischen Bäckereien und Supermärkten ist jedoch noch lange nicht entschieden, auch weil immer mehr Bäckereien Kooperationen mit den vormals verhassten Konkurrrenten eingehen und so neue Absatzwege erschließen können.
Quantität versus Qualität?
Doch wie verhält es sich in diesem Zusammenhang mit der Qualität der Produkte? Was hat der Konsument davon? Nicht alles, was in den Supermärkten als frisch gebacken angepriesen wir, ist auch frisch gebacken. Genaugenommen gar nichts, denn die allermeisten Handelskonzerne setzen in ihren Filialen auf tiefgefrorene Teiglinge, die dort dann nur mehr fertig- oder aufgebacken werden. Die Teigherstellung und der Backvorgang werden also zunehmend entkoppelt.
Das wäre an sich noch kein Problem, das liegt eher in den immer schwieriger nachvollziehbaren Handelsströmen begraben. Woher die Teiglinge stammen und unter welchen Umständen sie hergestellt wurden und wie lange die Transportwege waren, bleibt uns Kunden meist verborgen.
Zudem sind moderne Backwaren mittlerweile auch richtige Hightech-Produkte der Lebensmitteltechnik. In Deutschland sind an die 200 Zusatz- und Hilfsstoffe im Backgewerbe zugelassen. Von wegen Mehl, Hefe, Salz und Wasser.
Da dämmert es uns, woher all die Allergien und Unverträglichkeiten ihre Ursache haben könnten. Könnten wohlgemerkt, denn Studien zu diesem Thema sind rar, Beweise gibt es nicht. Und außerdem, auch das muss klar ausgesprochen werden, können neue Verfahren (wie das Einfrieren von Teiglingen) sogar dazu führen, dass viel weniger oder gar keine Konservierungsstoffe verwendet werden müssen.
Sie sehen schon, wie so oft, sind es eher die Grautöne, die in der Diskussion vorherrschen, auch wenn wir uns manchmal noch so sehr ein einfaches Schwarz-Weiß-Schema wünschen.
Phillip Ströck im Interview
Wir haben uns aber nicht entmutigen lassen und Phillip Ströck, Juniorchef der Ströck Brot GmbH, zum Interview gebeten. Von ihm erwarten wir interessante Einblicke in die Bäckerbranche und haben nachgefragt, wie der eigene Betrieb mit den wechselnden Rahmenbedingungen in dem Gewerbe zurecht kommt.
Seit wann sind sie im Betrieb tätig und in welchem Aufgabenbereich?
Ich bin seit 2005 als Bäckermeister in unserem Betrieb tätig. Gemeinsam mit meinem Bruder Christoph haben wir das Konzept rund um Ströck Feierabend entwickelt. Hier entwickeln wir ständig neue Ideen und setzten wir stark auf das Thema Regionalität und Genuss.
Die Familie Ströck ist ein klassischer Familienbetrieb, der in den letzten Jahren stark expandiert hat. Es wird ein sehr umweltbewusster Ressourcenumsatz kommuniziert, welche Probleme gibt es bei der Beschaffung regionaler Produkte? Wie stehen Sie zum Einsatz von Bio-Getreide, in welchem Bereich ist es sinnvoll (weil etwa regional beziehbar) und in welchem nicht?
Dem Einsatz von Bio-Getreide stehen wir sehr positiv gegenüber. Wir verarbeiten Bio-Getreide schon seit über 20 Jahren, werden auch in Zukunft darauf setzen und prinzipiell halte ich den Einsatz in allen Bereichen für sinnvoll.
Was verstehen Sie unter dem, vom Marketing kreierten, Begriff „Ährencodex“?
Unter unserem Ährencodex verstehen wir die lückenlose Rückverfolgung des von uns zu Backwaren verarbeiteten Getreides und die damit verbundene Partnerschaft mit lokalen Produzenten. Durch diese lückenlose Nachvollziehbarkeit und die Dokumentation jedes einzelnen Verarbeitungsschrittes von Saatgut, Korn und Mehl – vom Bauern bis in unsere Bäckerei – können wir eine höhere und vor allem gleich bleibende Qualität der Backwaren gewährleisten.
Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind Medienberichten zufolge stark im Ansteigen begriffen. Ihr Unternehmen bietet eine große Produktpalette in diesem Bereich – vor welchen Problemen stehen sie da bei der Produktion derartiger Artikel?
Wir haben in diesem Bereich sicher eine Art Vorreiterrolle, weil wir früh erkannt haben, dass das für unsere Kunden ein wichtiges Thema ist. Außerdem arbeiten wir hier schon seit langem mit einer Ernährungswissenschafterin zusammen. So können unsere Kunden unseren Kaffee zum Beispiel mit Laktose-freier oder Soja-Milch genießen. Und unsere Brot- und Gebäcksorten sind beinahe alle vegan. Wir führen beispielsweise vegane Snacks und Salate und süße Alternativen wie unser veganes Gugelhupf-Trio.
Backshops in Supermärkten suggerieren Kunden „frisches“ Brot und Gebäck, tatsächlich dominieren gefrorene Teiglinge mit Unmengen an Backtriebsmittel diese Produkte. Wie kann ein „traditioneller“ Bäckereibetrieb dem entgegnen? Welche Probleme/Kosten müssen bei der Produktion mit „konventionellen“ Methoden (Natursauerteig) berücksichtigt werden bzw. lässt sich dies bei einem Betrieb ihrer Größe wirtschaftlich überhaupt noch argumentieren?
Wir entgegnen dem Preiskampf der zurzeit am Backwarenmarkt herrscht mit einem 100%igen Bekenntnis zu höchster Qualität. Alles andere wird nicht funktionieren. Es gibt bei uns kein Brot ohne Natursauerteig, keine E-nummern in Brot und Gebäcken und auch sonst setzen wir schon seit jeher auf handwerkliche Herstellungsweisen und beste Rohstoffe. Um den Kunden auch in Zukunft diese Qualität bieten zu können bilden wir jedes Jahr an die 70 Lehrlinge als Bäcker, Konditor oder Verkäufer aus und pflegen die guten Kontakte zu unseren regionalen Rohstofflieferanten.
Nahrungsmittelvernichtung ist auch in Ihrem Gewerbe ein großes Thema. Wie stehen Sie zu Initiativen der Nahrungsmittelrettung (z.B. www.foodsharing.at)? Haben Sie Kooperationen in diesem Bereich schon angedacht bzw. schon umgesetzt, wenn ja mit wem? Welche gesetzlichen Rahmen halten Sie zur Minimierung von Übermengen für hilfreich/sinnvoll. Oder besteht da für Sie derzeit kein Handlungsbedarf?
Wir sind bestrebt, Lebensmittelabfälle so weit wie möglich zu vermeiden. Eine spezielle Software unterstützt unsere Filialen bei der Planung der optimalen Bestellmenge, um Retouren möglichst gering zu halten.
Aus meiner Sicht ist es schwierig, hier einen allgemein gültigen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, da jede Branche eigene Gesetzmäßigkeiten hat. Hier ist jeder Unternehmer selbst verantwortlich, ressourcenschonend zu handeln. Wir unterstützen viele karitative Vereine mit Brot und Gebäck.
Sie setzen bei Kaffee in Ihren Filialen zunehmend auf Kaffee aus Fairtrade, welche Erfahrung haben Sie dabei seit der Einführung gemacht? Wie ist das Kundeninteresse?
Wir setzen bereits seit mehreren Jahren ausschließlich Bio-FAIRTRADE-Kaffee, denn wir verstehen Nachhaltigkeit auch über geografische Grenzen hinweg. Seit 2011 haben wir bei Kakao, Kaffee und Tee unser komplettes Heißgetränke-sortiment auf FAIRTRADE umgestellt – mit sehr positivem Feedback von unseren Kunden.
Bei manchen Produkten (z.B. Cranberryspitz) kommen Zutaten (Cranberries) zum Einsatz, die nicht aus heimischer Produktion stammen, wie verfahren sie da im Bereich Beschaffung?Welche Standards fordern sie bei diesen Zutaten von den Herstellern ein? Gibt es da Kontrollprobleme?
Die gleichen Standards wie bei österreichischen Rohstoffen. Es gibt hier normalerweise keine Kontrollprobleme. Wir sind ja nicht die einzigen Produzenten die Cranberries, Kakao, Kaffee, etc. aus anderen Ländern beziehen. Die Rohstofflieferanten haben sich dazu auf europäische/österreichische Bedürfnisse eingestellt.
Verwenden Sie (künstliche) Aromastoffe? Ist der Einsatz – bei bestimmten Backwaren – überhaupt zu verhindern? der Unterschied zwischen „natürlichen“ „naturidenten“ und „künstlichen“ Aromen ist vielen Konsumenten gar nicht bewusst – ist der Einsatz ihrer Meinung nach überhaupt ein Problem?
Generell setzen wir bei Brot und Gebäck keine künstlichen Aromastoffe ein. Für unsere Vanillekipferl setzen wir zum Beispiel echte Bourbon Vanille statt Vanillin ein. Ich denke, dass der Anteil an künstlichen Aromen in Lebensmittel am Markt generell zurück geht.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden sie sich hinsichtlich Genuss und Gesundheit im Bereich der Produktion von Brot & Gebäck wünschen? Worauf sollten Konsumenten ihrer Meinung nach achten und welche „Trends“ können getrost ausgelassen werden?
Ich kann aktuellen „Trends“ wie Paleo-Ernährung oder ausschließlicher Rohkosternährung nicht allzu viel abgewinnen. Natürlich muss jeder für sich selbst herausfinden, was einem gut tut und was nicht. Aber man sollte sich nicht von den vielen Berichten in diversen Medien komplett verunsichern lassen und mehr seinem „Bauchgefühl“ vertrauen.
Wir danken für das Gespräch!
Linktipps:
– Brot & Gebäck: kleines Wissens-ABC
– Experiment Selbstversorger
– Nachhaltiger Genuss: BIO ohne Schmäh
– Feine Schmankerl & Delikatessen | Bezugsquellen
– Brottest, Geschmackstest & Rückstandsanalysen (Verein für Konsumenteninformation)
– Bäckerei Ströck