Von Dr. Claudia Nichterl
Bio ist in aller Munde. Konsumenten und Konsumentinnen interessieren sich immer mehr für die Bedingungen, unter denen unsere Lebensmittel produziert werden und die Konsequenzen, die sich daraus für Wohlbefinden, Gesundheit und Umwelt ergeben. Viele stellen sich die Frage: Ist es überhaupt möglich, ohne schlechtes Gewissen zu genießen? Die Antwort ist einfach: Ja – und alle profitieren davon.
Nachhaltigkeit in Zahlen
Österreich verfügt über 382.949 Hektar ökologisch bewirtschafteter Anbaufläche und hat den weltweit zweithöchsten Anteil (16%) an ökologisch bewirtschafteter Anbaufläche. 2009 kletterte der Bio-Umsatz in Österreich auf 948,2 Mio. Euro. Von Jänner bis April 2010 stieg der Bio-Absatz von Lebensmitteln im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um weitere beeindruckende 40 %. Für 62 % der heimischen KonsumentInnen ist „Bio“ mittlerweile ein entscheidendes Kauf-Kriterium, genauso wie kurze Transportwege (88 %) und die Herkunft (83 %) eines Produktes.
Saisonal und regional
Jede Region hat ihre spezielle Küche – das kommt nicht von ungefähr. Über Generationen wurde mit dem gekocht, was die Natur je nach Jahreszeit anbot bzw. leicht und schnell zu beschaffen war. Erst die ständige Verfügbarkeit sämtlicher Lebensmittel durch den internationalen Handel hat unsere Essensgewohnheiten verändert. Heute besinnen sich viele Konsumenten wieder auf dieses alte Wissen, das sich durchaus mit den neuesten Erkenntnissen bezüglich Nährstoffdichte und Bekömmlichkeit deckt.
Ob es Omas Rezepte für Kraut, Kohl und Rüben sind, die uns wichtige Vitamine im Winter liefern oder die Tradition der TCM, die z.B. Obst, das im warmen Klima wächst, als kühl einstuft und eher für den Sommer empfiehlt – die alten Denkweisen decken sich in vielen Punkten mit Überlegungen zum richtigen Essen nach Saison und Region.
Auch in der Auswahl von Obst- und Gemüsesorten bzw. Zuchtrassen holen sich Bio-Bauern Inspiration aus vergangenen Tagen. Vieles, was durch Billigimporte und den sich entsprechend angepassten Geschmack aus dem Programm gestrichen wurde, wird wiederentdeckt. Für unser Klima besser geeignet, brauchen Pflanzen wie Tiere weniger „chemische Unterstützung“ und bieten ein intensives Geschmackserlebnis, das sich vom faden Einheitsbrei abhebt.
Nachhaltige regionale und saisonale Lebensmittel zu genießen reduziert auch das Verkehrsaufkommen mit allen Konsequenzen für CO2 und andere Schadstoffe, schafft Arbeitsplätze vor Ort und unterstützt unsere Bauern, die neben der hochwertigen Lebensmittelproduktion auch entscheidend zur Landschaftspflege beitragen.
Produkte aus Österreich sind beim täglichen Einkauf durch entsprechende Kennzeichnungen leicht zu erkennen. Oft wird auch direkt auf die Region hingewiesen, aus der das Produkt stammt (das „Ländle“ Vorarlberg oder „Qualität aus Tirol“ – und natürlich der Klassiker „frisch-saftig – steirisch“). Mit der Linie „Zurück zum Ursprung“ bietet etwa der Diskonter Hofer hohe Qualität, die sämtlichen Nachhaltigkeitskriterien entspricht, zu erschwinglichen Preisen. Über den Chargen-Code lassen sich sämtliche Produkte – getreu des Mottos – bis zum ihrem Ursprung zurückverfolgen. Wer ganz sicher gehen will, kann natürlich am lokalen Bauernmarkt gleich von der Quelle weg einkaufen.
Biologische Produktion und Verarbeitung
Die Bezeichnung „biologisch“ umfasst die gesamte Produktionskette und unterliegt strengen Kriterien. Das bedeutet:
- Verzicht auf Gentechnik: Es werden weder gentechnisch verändertes Saatgut und Futtermittel eingesetzt, noch gentechnische Methoden in der Tierzucht angewandt.
- Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und leicht lösliche mineralische Dünger: Der Boden wird mit hofeigenem Kompost und Tiermist gedüngt. In der Schädlingsbekämpfung ist das oberste Prinzip, durch schonende Bodenbearbeitung, Fruchtfolgen, Anbau geeigneter Sorten und Nützlingsförderung Boden und Pflanze gesund zu halten. Im Notfall werden natürliche Pflanzenschutzmittel wie z.B. Brühen, Jauchen und Gesteinsmehle oder Nützlinge eingesetzt.
- Artgerechte Tierhaltung und Fütterung mit Bio-Futtermitteln: Das Platzangebot und die Ausstattung im Stall sowie der Auslauf/Weidegang sind für jede Tierart genau festgelegt. Vorwiegend hofeigene, biologische Futtermittel kommen zum Einsatz. Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge und Naturheilmittel stehen im Vordergrund. Konventionelle Medikamente der Schulmedizin dürfen nur nach tierärztlicher Diagnose verabreicht werden.
- Mehr Vitamine und Mineralstoffe: Verschiedene Bio-Obst- und Gemüsesorten enthalten laut zahlreichen Studien tendenziell mehr Vitamin C, Magnesium, Eisen oder Phosphor. Milch und Fleisch von biologisch gehaltenen Rindern haben eine günstigere Zusammensetzung der Fettsäuren.
- Unverfälschter, natürlicher Geschmack: Bei der Verarbeitung biologischer Lebensmittel sind viele Zusatz- und Hilfsstoffe streng begrenzt. Nicht erlaubt ist z.B. der Einsatz des Geschmacksverstärkers Glutamat, synthetischer Farbstoffe und Süßstoffe.
- Strengste Kontrollen von staatlich autorisierten Kontrollstellen: Bio-Bauern, Verarbeiter, Lieferanten und Händler von Bio-Produkten werden mindestens einmal jährlich auf die Einhaltung aller Bestimmungen kontrolliert.
Einsparpotentiale einer nachhaltigen Ernährung
Biologische Produktion bedeutet auch Umweltschutz. Bezogen auf die Fläche haben biologische Betriebe um rund 60% geringere Emissionen. Außerdem bauen Biolandwirte und -landwirtinnen Humus im Gegensatz zur konventionellen Landwirtschaft nicht ab, sondern auf. Fruchtbare Erde bindet CO2.
Regionale und saisonale Lebensmittel reduzieren den Transport- und Lageraufwand. Mit nur 10% mehr regionalen Lebensmitteln im täglichen Einkauf reduziert sich der durchschnittliche Weg eines Produkts von 1.700 Kilometer auf 150 Kilometer. Das bedeutet eine Reduktion der gefahrenen LKW-Kilometer um 166 Millionen pro Jahr oder von 116.000 Tonnen CO2.
Tiefgekühlte Lebensmittel benötigen außerdem bei der Verarbeitung sowie für die Aufrechterhaltung der Kühlkette während Transport und Lagerung große Energiemengen und bewirken erhebliche Treibhausgasemissionen. Tiefkühl-Pommesfrites verursachen 23-mal mehr CO2-Äquivalente als frische Kartoffeln.
Und auch der Speiseplan an sich bietet Potential für Einsparungen: Bei der Produktion von einem Kilo Rindfleisch werden 6,5 kg CO2 freigesetzt. Ein kg Obst verursacht dagegen nur 0,5 kg CO2, Gemüse sogar nur 150 g CO2. Und auch das entspricht wiederum althergebrachten und neuen Ernährungsempfehlungen: Mehr Gemüse, weniger Fleisch.
Fairer Handel – globale Verantwortung
Natürlich ist es nicht notwendig, im Sinne der Nachhaltigkeit auf alles zu verzichten, was schmeckt und doch nicht gleich ums Eck wächst. Südfrüchte, Schokolade, Kaffee und Tee gibt es mittlerweile in allen Supermärkten mit dem Zeichen „Fair Trade“ zu kaufen. Dieses Siegel gewährleistet immerhin faire Bedingungen für die Produzenten und Produktionsbedingungen, die soziale und biologische Aspekte berücksichtigen.
Zur Autorin:
Dr. Claudia Nichterl, Ernährungswissenschafterin, Ernährungsberaterin nach TCM (5 Elemente Küche)
Autorin diverser Kochbücher (aktuell: Kochen für´s Herz – genussvoll vorbeugen, natürlich heilen), Inhaberin des essen:z kochstudios, ein Platz für Kochkurse, Verkostungen und Genuss-Abende. Kontakt unter 0681-20 40 84 85 oder [email protected] bzw. www.essenz.at
Quellen: