Von Kave Atefie
Österreich hat kulinarisch viel zu bieten, doch vieles von dem, was als regionale Spezialität angepriesen wird, ist nichts anderes als marketingtechnisch aufgehübschte Massenware. Ich habe mich auf die Suche nach den „echten“ Schmankerln begeben, im realen Leben ebenso wie in den unendlichen Weiten des Internet.
Aber was sind denn eigentlich die „echten“ Schmankerl? Ausschließlich Produkte aus biologischer Landwirtschaft? Oder muss die Produktion auch den strengen Regeln nachhaltiger Bewirtschaftung entsprechen, dazu regional und saisonal?
Schnell war klar: es ist alles nicht so einfach (© Dr. Fred Sinowatz, österreichischer Bundeskanzler 1983 bis 1986). Das Angebot ist mittlerweile auch in diesem Marktsegment riesig, die Kreativität der Hersteller kennt kaum Grenzen. Dabei die Blender von den rechtschaffenen Produzenten zu unterscheiden ist nicht einfach.
Um mir nicht Hülle statt Inhalt andrehen zu lassen, habe ich bei der Auswahl einzig und allein auf den Geschmack geachtet. Seien Sie dennoch nachsichtig bei der nachfolgenden Auswahl an Herstellern und Händlern, sie ist natürlich subjektiv und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. In Teil 1 unserer Reportage widmen wir uns den Produzenten von Obst, Gemüse und Kräutern.
Gärtnereien & Kräuterhöfe
Gärtnereien und Gemüsebauern gibt es in Österreich sonder Zahl, selbst in der Bundeshauptstadt sind einige hochinteressante Fachbetriebe abseits der Massenproduktion tätig. Ich habe ein paar davon persönlich besucht und konnte mich vom beeindruckenden Angebot überzeugen. Auffallend war die große Leidenschaft und das Bekenntnis zu „ordentlich“ hergestellten Lebensmitteln, die alle genannten Produzenten eint.
Kräuter & Gemüse
Kräuter aus Transdanubien: Die Gärtnerei Bach ist über die Landesgrenzen Wiens hinaus bekannt für ihre feine Auswahl an frischen Kräutern. Die Auswahl unterschiedlicher Minzesorten ist legendär, dazu gibt es immer wieder auch Gewürzkräuter, die sonst kaum zu bekommen sind und alle natürlich aus eigener Produktion und in bester Qualität. Der angeschlossene Hofladen lässt während der Saison keine Wünsche offen und bietet neben den hofeigenen Produkten auch regionale Produkte befreundeter Betriebe.
Obst, Gemüse und Pflanzen aus Hischstetten: Die Gärtnerei Ganger überzeugt nicht nur mit einer tollen Auswahl an Frühlings- und Sommerpflanzen, sie haben auch einen wunderbaren Hofladen eingerichtet, der zusätzlich zum hauseigenen Angebot auch viele regionale Schmankerln anbietet.
Chili
Der Hype um Chili hat in den letzten Jahren schon groteske Formen angenommen. Immer vielfältiger, immer schärfer, immer exotischer mussten Schoten sein, um Konsumenten noch beeindrucken zu können. Jetzt, nachdem der Höhepunkt überschritten scheint, zeigt sich, welcher Produzent seiner Linie von Anfang an treu geblieben ist und wem Qualität vor Quantität geht.
Chili aus der Wachau: Die Gärtnerei Hick bietet eine große Auswahl an Chilisorten in unterschiedlichen Kategorien (CLASSIC, BLEND, HOT, 2HOT) an. Das Schöne daran, die Sorten wurden lange und ausgiebig hinsichtlich ihrer Eignung für das spezielle Wachauer Klima getestet. Jene über 100 Sorten, die nun je nach Saison ehältlich sind, weisen tatsächlich eine außerordenliche Aromadichte auf.
Chili aus Breitenlee: Der Hof der Familie Kölbl besteht schon seit über hundert Jahren am Standort in Breitenlee, doch erst in den letzten Jahren hat sich Georg Kölbl gänzlich auf die Produktion von Chili spezialisiert. An die fünfzehn Sorten werden auf einer – vergleichsweise kleinen – Fläche von 4.400 m² in sogenannter integrierter Produktion angebaut. Schädlinge werden dabei anstatt mit chemischen Pflanzenschutzmitteln mit Nützlingen bekämpft, eine Methode, die sich nachhaltig bewährt hat. Die Auswahl ist üppig und bunt und es gibt natürlich Vertreter in beinahe sämtlichen Schärfegraden. Nachhaltig in Erinnerung geblieben sind mir die dickwandigen Jalapenos, die im Sommer besonders gut zum Grillen geeignet sind.
Feigen
Bio-Feigenhof in Simmering: Was auf den ersten Blick exotisch erscheint, macht bei genauem Hinsehen durchaus Sinn – Feigen aus Simmering. Seit 2006 werden von Juli bis November über zwanzig verschiedene Feigensorten im Freiland und im Glashaus angebaut und zwar in ganz wunderbarer Qualität. Hier gibt es frische Feigen genauso wie Feigenpflanzen als Sträucher und Stämmchen für den privaten Garten, die von den Besitzern mit höchster Kompetenz angeboten werden. Diese fühlen sich übrigens dem Slow Food Gedanken verpflichtet und halten immer wieder Workshops, Seminare und Kochkurse ab.
Bäuerliche Produzenten, Mühlen & Hofläden
Spargel
Solo-Spargel aus Mannsdorf/Donau: Dieser ganz besonders sympathische Familienbetrieb liegt am Rande des Nationalparks Donau Auen zwischen Probsdorf, dessen streitbarer Pfarrer bundesweite Bekanntheit erreicht hat, und Orth an der Donau. Hier wird seit über dreissig Jahren weißer und grüner Spargel angebaut, dazu wird zwischen März und Oktober ein mehr als gut sortierter Dorfladen betrieben, der sich seit Jahren größter Beliebtheit erfreut.
Spargel aus Aderklaa: Aderklaa kann getrost als Spargelzentrum des Marchfeldes bezeichnet werden. Hier sind zahlreiche Betriebe angesiedelt, die das edle Stangengemüse in höchster Qualität produzieren. Der Betrieb des Spargelbauern Harbich ist insofern herausstechend, als er bereits früher als alle anderen Betriebe den besonders schön anzuschauenden Purpurspargel ins Programm aufgenommen hat.
Erdbeeren
Erdbeeren vom Biobauern: Die Familie Radl hat sich bereits sehr früh mit dem Erdbeeranbau aus biologischer Landwirtschaft beschäftigt und dabei zweifellos eine Pionierrolle eingenommen. Die Saison in Wien ist für Erdbeeren zwar kurz, dafür gibt es mittlerweile aber bereits einige Verkaufsstände in Wien-Donaustadt, die die hocharomatischen Früchte erntefrisch anbieten.
Bio-Erdbeer-Produkte: Der Betrieb „VanBriki“ der Familie Kossits liegt im Südburgenland unweit der Bezirkshauptstadt Güssing. Die Gegend ist für sich schon eine Reise wert, die köstlichen BIO-Erdbeeren sind aber das süße i-Tüpfelchen bei einem kulinarischen Ausflug in der Region. Ab Ende Mai werden die süßen Früchte, die aus biologischem Anbau ohne dem Einsatz von Spritzmittel heranreifen, geerntet. Gerade bei Erdbeeren ist der biologische Anbau besonders schwierig und aufwendig (nicht nur wegen möglicher Schädlinge, sondern auch wergen der hohen Fäulnisgefahr), doch das Geschmackserlebnis ist tatsächlich unvergleichlich. Neben den frischen Erdbeeren im Sommer gibt es auch außerhalb der Saison wunderbare Erdbeerprodukte: die Marmelade und der köstliche Nektar (auch wunderbar für die Eisproduktion geeignet) haben es uns besonders angetan.
Essig & Öl
Öl
Ölmühle Hartlieb – Kürbiskernöl ist mittlerweile auch außerhalb unserer Landesgrenzen zu einer echten Delikatesse aufgestiegen, allein die meisten Produkte im Handel haben mit dem echten Produkt, das aus aus den gerösteten Kernen steirischer Ölkürbisse hergestellt wird wenig zu tun. Die Ölmühle Hartlieb allerdings produziert ein ganz wunderbares 100% reines steirisches Kürbiskernöl aus Erstpressung mit dem speziellen vollnussigen Aroma. Auch nicht zu verachten, die neue Ölspezialität aus Erdmandeln, auch als „Chufas“ bekannt. Das Öl besticht mit einem aufregendem Aroma und unglaublichen 80% ungesättigte Fettsäuren. So muss Gesundheit schmecken!
Ölmühle mit großer Auswahl an Bio-Ölen: ebenfalls aus der Steiermark und auch nicht ohne ist die Ölmühle Fandler aus Pöllau. Das Angebot an hochwertigen Speiseölen ist atemberaubend, einmalig ist aber sicherlich die breite Palette an Ölen in zertifzierter Bio-Qualität. Große Suchtgefahr besteht beim Bio-Haselnussöl, dessen zartes Nougataroma nicht nur sommerliche Salate wunderbar abrundet, sondern auch zu Süßspeisen perfekt passt. Alle Öle sind 100 % sortenrein und werden weder gefiltert noch raffiniert und enthalten keinerlei Zusatzstoffe. Ölfrüchte, die bei unseren klimatischen Bedingungen wachsen, werden direkt bei den Landwirten vor Ort gekauft. Dazu zählen etwa: Leinsamen, Walnüsse, Raps und natürlich Kürbiskerne, Sonnenblumenkerne und Traubenkerne. Eine Besonderheit sind zweifellos die zehn Öl-Cuvees aus biologischem Anbau, die als exklusive Produktlinie angeboten werden.
Mühlviertler Ölmühle Haslach: Die wunderschön gelegene Mühle befindet sich seit über 250 Jahren im Besitz der Familie Koblmiller. Doch bereits seit 600 Jahren werden an dem Standort Saaten vermahlen und Leinöl aus Leinsamen erzeugt, letzteres zählt kalt- oder warmgepresst auch zu den Spezialitäten der Mühle.
Essig
Wiener Essigbrauerei Gegenbauer: Eine Institution in Sachen hochwertiger Essigprodukte wie Frucht-, Wein-, Balsam- und Trinkessige. Die Produktion liegt im 10. Wiener Gemeindebezirk, bekannt ist aber vor allem der Stand der Gegenbauers am traditionsreichen Wiener Naschmarkt. Dort sind auch beinahe alle der über sechzig (!) unterschiedlichen Sorten zu probieren und zu erwerben. Erwin M. Gegenbauer jun. hat Mitte der 1990er Jahre mit der Essigproduktion begonnen und es geschafft aus seiner Leidenschaft tatsächlich Essig höchster Güte herzustellen. Mindestens drei Jahre reifen seine Fruchtessige in den Katakomben der familieneigenen Wiener Manufaktur, mindestens fünf Jahre die Balsamessige und mindestens zwei Jahre die Weinessige in den Barriquefässern auf dem Flachdach im Freien. Wer einmal die große geschmackliche Bandbreite, die Vielzahl an Farben und Texturen seiner sauren Versuchung probiert hat, freut sich über die Erweiterung seines kulinarischen Horizonts. Man muss sich bloß darauf einlassen. Für Interessierte gibt es immer wieder Führungen durch die Essigbrauerei, ein Besuch lohnt.
Linktipps:
– Experiment Selbstversorger
– Gutes Getreidemehl und gesunde Alternativen
– Schnecken: Über die kulinarische Renaissance der schleimigen Kriechtiere
– Speiseöle im Überblick: Leinöl, Maiskeimöl, Mandelöl, Mohnöl
– Feine Schmankerl & Delikatessen | Bezugsquellen