Von Birgit Weilguni
Von Funktionsbekleidung bis Powerfood: Wie mit mehr oder weniger sinnvollen Produkten das große Geld mit Hobbysportlern gemacht wird.
Österreich wird zunehmen sportlich aktiv – was zweifelsohne eine begrüßenswerte Entwicklung ist. Lauftreffs freuen sich über regen Zulauf – im wahrsten Sinne des Wortes –, Bergwandern erlebt eine Renaissance, Skifahren boomt trotz stetig steigender Kosten, aber auch Extrem- und Trendsportarten sowie echter Leistungssport finden mehr und mehr Anhänger.
Der krasse Counterpart zu heimischen Couch Potatoes investiert gerne und fleißig in die passende Ausrüstung, was selbstredend längst findige Produzenten auf den Plan gebracht hat. Von Ernährung über Kleidung, Equipment bis zu Heilbehelfen tauchen neue Produkte auf dem Markt auf, die der trendige Hobbysportler einfach haben MUSS, um gut, gesund und cool zu sein. Doch längst nicht alle Produkte sind sinnvoll und hilfreich; die Nachteile reichen von – im besten Fall – teuer, über sinnlos bis gefährlich.
Ernährungsfallen
Diäten, Vegetarismus, Veganismus oder Raw Food gelten ebenfalls als Trend, machen aber den Hobbysportlern oft das Leben schwer, denn Grundregel Nummer eins lautet: ausgewogen ernähren. Prof. Dr. Cem Ekmekcioglu ist Mediziner, Wissenschaftler, Ernährungsexperte sowie Buchautor an der MedUni Wien und hat erst kürzlich das Buch „Fitness geht durch den Magen. Wie Ernährung unsere geistige und körperliche Leistungsfähigkeit beeinflusst“ gemeinsam mit Ingrid Kiefer auf den Markt gebracht. Dabei geht es ihm einerseits um Brain Food, also Ernährung, die sich auf unsere Gehirnleistung auswirkt, und andererseits um die Frage, welche Lebensmittel die körperliche Leistungsfähigkeit beeinflussen.
„Die Makronährstoffe Eiweiß und Kohlenhydrate sind entscheidende Stoffe, die sich auf unsere physische Leistung auswirken“, fasst Ekmekcioglu zusammen. „Für Hobbysportler ist eine ausgewogene Ernährung essenziell – Zusätze sind im Normalfall nicht erforderlich.“ Grundsätzlich sei entscheidend, ob Kraft- oder Ausdauersport betrieben werde. „Der Eiweißbedarf von Hobbysportlern kann ganz einfach über die normale Ernährung abgedeckt werden. Geht es um Kraftsport und/oder intensiven Ausdauersport, ist gegen einen Eiweißshake ab und zu nichts einzuwenden – ein Steak nach dem Sport würde aber dieselben Dienste leisten“, sagt der Experte.
Andere Zusatzstoffe, die viele Hobbysportler mittels Nahrungsergänzungsmitteln zu sich nehmen, sind meist nicht erforderlich. Für Sportlerinnen im gebärfähigen Alter ist jedoch ein wichtiger Risikonährstoff Eisen, insbesondere wenn wenig Fleisch und Fisch verzehrt werden. Magnesium könnte auch berücksichtigt werden, wenn sich Krämpfe einstellen. „Für die erforderliche Extrazufuhr von Antioxidantien gibt es keine Evidenz und auch für andere Stoffe nicht. Mit ausgewogener Ernährung kann bei Hobbysportlern, die sich durchschnittlich dreimal pro Woche eine bis eineinhalb Stunden bewegen, kein Mangel entstehen“, betont der Mediziner. Leistungssteigernd wirkt laut wissenschaftlichen Studien beispielsweise Koffein, allerdings nur kurzfristig. Von vielfach kolportierten Energieturbos in „Superfoods“ ist jedoch eher wenig zu erwarten.
Sinn und Unsinn
Wichtiger ist Ekmekcioglu die Hydrierung: „Viel zu trinken ist für die körperliche Leistungsfähigkeit ein zentraler Faktor. Dabei heißt es vor allem gut hydriert in den Sport zu gehen, aber auch insbesondere bei prolongierten, also ausgedehnten, Belastungen in regelmäßigen Intervallen kleine Mengen zu trinken.“ Gemeint sind damit vor allem Sporteinheiten von mehr als etwa einer Dreiviertelstunde. Flüssigkeit und schnell verfügbare Kohlenhydrate sind dann unerlässlich, das dürfen gerne auch isotonische Sportlergetränke sein. „Mit einer ausgewogenen Ernährung mit Fokus auf Kohlenhydraten und nach dem Sport Proteinen, eventuell gelegentlich einem Shake, sowie ausreichend Getränken sind Hobbysportler bestens versorgt“, fasst Ekmekcioglu zusammen.
Während beim Trinken kaum etwas falsch gemacht wird – solange die Getränke nicht per se gesundheitsschädlich sind –, kann ein Übermaß an Proteinen durchaus auch negative Auswirkungen auf den Körper haben. „Die Obergrenze liegt bei 2 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht und Tag“, informiert Ekmekcioglu. „Was darüber liegt, kann insbesondere die Nieren schädigen, wenn es über einen längeren Zeitraum in hoher Dosis konsumiert wird.“ Auch die Säurelast für den Körper sei bei zu hohen Eiweißmengen unter Umständen bedenklich, was unter anderem dem Kalziumhaushalt bzw. dem Knochenstoffwechsel schaden könnte, insbesondere bei einer zu geringen Kalziumzufuhr.
Top-Ausrüstung
Besonders viel unnötiger Tand ist beim Thema Ausrüstung im Angebot. Wichtige Ausnahmen: das Trinken erleichternde Utensilien und Funktionskleidung. Rucksäcke mit eingebauten Trinkschläuchen sind immer häufiger zu sehen und machen bei längeren sportlichen Belastungen auch durchaus Sinn, bestätigt der Ernährungsmediziner. Funktionskleidung für Outdoor-Sportarten steht ebenfalls außer Zweifel: Schnell trocknend, atmungsaktiv, wind- und wetterfest – die Anforderungen an hochwertige Sportbekleidung werden immer umfassender. Je nach Intensität der sportlichen Aktivitäten und den individuellen finanziellen Möglichkeiten ist hier eine enorme Bandbreite an Angeboten gegeben und die meisten gelten durchaus als sinnvoll.
Ein wenig anders sieht es mit Sportgeräten aus. Ein Ski, wie ihn Hermann Maier oder Marcel Hirscher fährt, kostet eine Lawine, wäre aber für Laien de facto nicht fahrbar – er trägt nur den prominenten Namen und dafür wird bezahlt. Mountainbikes um Unsummen, die alle Stückerl spielen, können wohl kaum von schlechter Qualität sein. Ob sich ihr Einsatz für Hobbysportler zwei-, dreimal pro Woche rechnet, ist eine andere Frage. Auch hier erübrigt sich die Grenzziehung zwischen sinnvoll und sinnlos, denn letztlich entscheiden darüber einzig die finanziellen Möglichkeiten des Sportlers und seine Überzeugung, mit welcher Gerätschaft eine für ihn annehmbare Leistung zu erbringen ist.
Maß und Ziel
Die allermeisten Gimmicks und Trends für den Hobbysportler schaden nicht, sondern wirken schlichtweg nicht so leistungssteigernd, wie die Wirtschaft uns glauben macht. Mitunter tun sich Glaubensgräben auf, ob Kinesiotapes stabilisieren und unterstützen können, ob Powerfood wie Chia- oder Basilikumsamen, Acai-Beeren oder Gerstengras als wahre Gesundheits-Booster wirken oder das Racket von Nadal, Federer oder Williams Spitzentennisspieler aus Hobbysportlern macht. Solange die sportlichen Hilfsmittel der Gesundheit nicht schaden, sondern nur der Geldbörse, bleibt es der individuellen Überzeugung und den Möglichkeiten überlassen, ob sie sich als Cash Cow missbrauchen lassen oder die Investitionen mit ihrem Können und der sportlichen Intensität steigern.
Zitat: „Leistungssteigernde Effekte sind von den meisten Zusatzstoffen für gesunde Hobbysportler eher nicht zu erwarten.“ Prof. Dr. Cem Ekmekcioglu, MedUni Wien
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