Es geht um die Wurst, alte Haut!

Es geht um die Wurst

Von Kave Atefie

Nun also die Wurst. Nachdem Wein aus biodynamischen Anbau, Meeresgetier aus Wildfang oder Brot aus Natursauerteig niemand mehr hinter dem Ofen hervorholt, nun also die „gefüllte Pelle“, wie es unsere nordischen Nachbarn so unschön formulieren.

Gehen Sie weiter, bleiben sie nicht stehn. Der Naturdarm will gefüllt werden, die Kasse klingeln. Geld stinkt bekanntlich nicht, darum sprießen derzeit die Wurstbuden nur so aus dem Boden. Es wird gewurstet, geräuchert und gepökelt als geb’s kein Morgen. Knacker waren vorgestern, heute muss es mindestens die perfekte Bratwurst sein. Schlecht? Ganz und gar nicht.

Zerkleinertes Fleisch, Speck, Salz und Gewürze

Mehr braucht es nicht um Wurst herzustellen. Okay, bestimmte Sorten verlangen nach Innereien und/oder Blut, doch darauf kommen wir ein andermal im Detail zu sprechen. Und weil Wursten eigentlich gar nicht so schwierig ist, dürften die ersten Würste auch bereits in der Antike hergestellt worden sein.

Durch diese Verarbeitungsform wurde die Voraussetzung geschaffen möglichst viele Teile eines geschlachteten Tieres zu verwerten und gleichzeitig dem Fleisch eine wesentlich längeren Nutzungsdauer zu geben, da sich die Haltbarkeit durch die Verarbeitung zur Wurst dramatisch verbesserte.

Am Beginn standen die Rohwürste – also Würste, deren rohe Zutaten zu einer Masse (dem sogenannten Brät) verarbeitet und dann in Tiermägen, Därmen oder Blasen gefüllt wurden. Sie wurden frisch verzehrt oder durch Trocknen bzw. Räuchern konserviert.

Weitere Wurstformen, die hinsichtlich des Herstellungsverfahrens unterschieden werden, sind die Brüh- und die Kochwürste. Während bei ersteren die ganzen Würste bei mäßiger Temperatur durch Brühung oder Heißräucherung erwärmt werden, kommen bei letzteren vorwiegend bereits gekochte Zutaten zum Einsatz.

Über die Verzehrform – also ob die Würste warm oder kalt genossen werden – gibt das Herstellungsverfahren übrigens keine Auskunft. Bei allen drei Wurstformen gibt es Vertreter die kalt und Vertreter die warm genossen werden. Wikipedia Ende.

There will be blood …

Wurstzutaten

Sicher, sicher, aber das spritzt zumeist in einem der etwa 20 Schlachthöfe in Österreich. In der Bundeshauptstadt gibt es nämlich nur mehr einen einzigen (!) Fleischhauer, der sein Fleisch auch selber schlachtet. Im restlichen Österreich sieht es nicht viel anders aus, denn die strengen EU-Regeln haben auch die Zahl der Hofschlachtungen drastisch reduziert.

In seinem Betrieb im 23. Wiener Gemeindebezirk schlachtet Fleischermeister Christoph Hödl pro Woche jedenfalls 20 Schweine, dazu drei Kälber, drei Stiere und alle paar Wochen einmal ein Pferd. Die Tiere werden bereits 1-2 Tage vor der Schlachtung aus dem Tullnerfeld bzw. der Buckligen Welt geholt und können sich dann auf dem der Fleischerei angeschlossenen Hof mit Stall über Nacht erholen. Der Vorteil liegt auf der Hand: das Fleisch enthät viel weniger Stresshormone, die das Fleisch später wässrig machen.

Hödls Blutwurst, Frankfurter, Krakauer, Polnische und auch der wunderbare Beinschinken, zählen dann auch zum Besten, das die Hauptstadt in Sachen Wurst- und Fleischwaren zu bieten hat.

Wir sprechen also über Qualität. Wie bei allen anderen Lebensmitteln auch, entscheidet die Qualität des Ausgangsproduktes die Qualität des Endproduktes maßgeblich mit. Die Schlachtung ist ein wesentlicher Teil im Herstellungsprozess. Das ist wichtig zu betonen, denn derzeit regiert in vielen Bereichen der Gastronomie vor allem aufgeregtes Marketing-Geschnatter um Nebensächlichkeiten.

Da werden Wurstdinner zelebriert, bei dem „Junge Wilde“ sich verwegen an in Schweineblase gedämpfter Aalravioli versuchen. Und so weiter und so fort. Muss nicht sein.

Das Fest der Wurst, Wiener Sausage & Co:

Der aktuelle Hype über kreative Wurstwaren macht also durchaus skeptisch, aber er bietet auch die Chance hinter die Kulissen einer Industrie zu blicken, die lange Zeit im Verborgenen werkte.

So hysterisch – und in manchen Bereichen auch maßlos übertrieben – der aktuelle Wursttrend auch sein mag, er zeigt deutlich den Unterschied zwischen handwerklicher Herstellung und Massenindustrie. Denn die Stars am Wursthimmel Richard Holmes (Britwurst), Stefan Windisch oder Roman Thum stehen allesamt für Wurst als Handwerksprodukt. Sie zeigen, dass man auch in Nischen Geld verdienen kann, wenn die Qualität passt und nicht Hülle statt Inhalt verkauft wird.

Konsumenten können sich durch die mediale Berichterstattung ganz gut ein Bild davon machen, worin sich „günstige“ Supermarktprodukte von „teuren“ Qualitätsprodukten unterscheiden. Auf der einen Seite Massentierhaltung, industrielle Schlachtung und lebensmitteltechnische Herstellung auf der anderen artgerechte Haltung, fachgerechte Schlachtung und handwerkliche Verarbeitung.

Zumindest theoretisch, denn auch bei den „Handwerkern“ gibt es Blender, Tarner und Täuscher. Umgekehrt sind nicht alle Konsumgüterproduzenten Halunken. Wir müssen uns als Konsumenten schlicht das Bewusstsein über Verhältnismäßigkeit bewahren. Und dann spricht ganz und gar nichts dagegen das Produkt Wurst (wiederzu)entdecken.

Schließlich gilt Wien als Geburtsort der Frankfurter Würstel (die natürlich auf der ganzen Welt als Wiener Würstchen bekannt sind). Die amüsante Geschichte der Namensgebung ist auch schnell erzählt: Frankfurter Fleischhauer probiert in Wien mit einer Mischung aus Schweine- und Rindfleisch herum und erschafft so den neuen Star am Wursthimmel. Weil nicht jeder, der in der Bundeshauptstadt lebt und arbeitet auch als Wiener durchgeht, lag die Namensgebung für die Einhimischen auf der Hand. Ein Zugereister, ein Frankfurter war’s.

Im Rest der Welt gilt freilich: die Wurst wurde in Wien erfunden, … das Wiener Würstchen war geboren. „Wiener“ sind selbst in den USA ein Begriff – ohne sie gäbe es schließlich auch keine Hot Dogs.

Wenn also in Wien Würstelstände von Touristen als typisches Kulturgut angesehen werden, warum dann das Gourmet-Wurstfeld den ausländischen Vertretern Chorizo, Salsicca & Co. überlassen? Eben, so wird nun also einem Produkt gehuldigt, das bis vor Kurzem noch als reines Abfallprodukt und Resteverwertung der Lebensmittelindustrie gesehen wurde.

Alles hat ein Ende, nur die Wurst …

Die Kunst des Wurstens

… hat zwei. Damit der billige Karlauer auch noch angebracht wäre. Jedoch: was zwischen den zwei Enden steckt ist oftmals nicht so klar. Kommt natürlich auch auf die Wurst an.

Bei der Bratwurst, dem aktuellen Star am Wursthimmel, ist es z.B. ziemlich egal welches Fleisch man nimmt, wesentlich wichtiger ist hier der Fettgehalt, der um die 25% betragen sollte. Zumindest sagt das Fleischermeister Stefan Windisch, der in Wiener Neustadt erfolgreich ein Fleisch- und Wurstspezialitätengeschäft betreibt und es daher wissen sollte.

Um ein ausgewogenes aber intensives Aroma zu bekommen ist die Auswahl der Gewürze und deren Qualität entscheidend. Um die volle Kraft des Aromas zu bekommen sollten die Gewürze unzerkleinert trocken geröstet werden (also ohne Zugabe von Fett) und danach gemörsert werden. Beim Salz sollte auf Nitritpökelsalz verzichtet werden, denn das im Pökelsalz enthaltene Nitrit kann mit Eiweißstoffen (Aminen) sogenannte Nitrosamine bilden. Diese haben sich im Tierversuch als krebserzeugend erwiesen. Für den Menschen werden Nitrosamine derzeit als wahrscheinlich krebserregend eingestuft.

Nitritpökelsalz ist ein Gemisch aus Speisesalz und Kalium- oder Natriumnitrit und ist in der Lebensmittelindustrie nicht wegzudenken. Es wird Fisch, Fleisch und Fleischerzeugnissen zugesetzt, um die Haltbarkeit zu verbessern, die rote Farbe von Fleisch zu erhalten und ein charakteristisches Aroma zu erzeugen. Rund 90 Prozent aller im konventionellen Handel angebotenen Wurstwaren werden gepökelt. Das deutsche Lebensmittelgesetz erlaubt je nach Wurstsorte maximal 50 bis 250 Milligramm Nitritpökelsalz pro Kilogramm Fleisch. Biowurst, die nach der EU-Öko-Verordnung produziert ist, darf bis zu 80 Milligramm Pökelsalz pro Kilogramm Fleisch zugesetzt werden.

Weiter geht’s: zusammen mit normalem Speisesalz (die richtige Mengenbeigabe erfordert viel Erfahrung) kommen die Gewürze bei der Bratwurstherstellung mit Fleisch, Speck und etwas crushed ice (ist wichtig für optimales Quellen der Muskelfasern) in die Mischmaschine. Nicht zu lange kuttern, sonst wird die Emulsion zerstört. Fertig ist die Masse, wenn das Brät gut bindet und an der Oberfläche nur mehr leicht klebrig ist.

Zur Vollendung der Wurst braucht es nun noch gut gewässerte Naturdärme (entweder Schweinsdärme mit 3 cm Durchmesser oder Schafsaitlinge mit etwa 2 cm Durchmesser). Schweinedärme stammen übrigens vorwiegend aus Europa und China, Schafsdärme fast ausschließlich aus China, der Mongolei und der Türkei. Transportiert werden die wertvollen Naturdärme gepökelt und in einer Salzlake eingelegt in Kühlcontainern. Im Gegensatz zu Kunstdärmen sind Naturdärme essbar und eignen sich durch ihre Luftdurchlässigkeit besser zum Räuchern und Trocknen. Naturdärme können Sie beim Fleischhauer bestellen.

Zurück zur Bratwurstherstellung: die Masse wird nun mit einer Wurstspritze in die vorbereiteten Naturdärme gespritzt. Klingt einfach, ist es nicht. Anschauliche Anleitungen sind aber auf Youtube massenhaft zu finden.

Die fertigen Bratwürste müssen, da es sich um Rohwürste handelt, noch am selben Tag verbraucht werden (gebraten oder gegrillt) oder aber bei etwa 80°C für ungefähr 30 Minuten in leicht gesalzenem Wasser gegart werden – dadurch lässt sich die Haltbarkeit um einige Tage verlängern.

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Quellen:

¹ Wurstakademie.com
² Der Einssatz von Nitritpökelsalz in Fleischwaren
³ Website des Zentralverbands Naturdarm e. V.

Linktipps:

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Schnecken: Über die kulinarische Renaissance der schleimigen Kriechtiere
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Stefam Windisch – Fabrikation feiner Fleisch- und Wurstspezialitäten
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