Von Andrea Honer
Yoga – für viele der Weg zur inneren Einkehr und Geheimmittel gegen sämtliche Zivilisationskrankheiten wie Rückenbeschwerden, Bluthochdruck oder Stress, um nur einige zu nennen. Andere sehen in Yoga nur Scharlatanerie, Humbug, eine Methode den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen und so noch mehr Leiden zu schaffen. Denn immer wieder werden Meldungen laut, dass Yoga-Übungen dem Körper schaden können und ein ungemeines Verletzungspotential bergen. Was stimmt nun wirklich? Was ist Yoga überhaupt und warum schwören Millionen von Menschen auf der ganzen Welt auf diesen Weg der Selbstvervollkommnung?
Yoga, ein Schlagwort, das seit mehreren Jahrzehnten in aller Munde ist, das innere Gelassenheit und körperliches Wohlbefinden verspricht, die Vereinigung von Körper, Geist und Seele symbolisiert. Doch was bedeutet es und woher kommt es?
Das Wort Yoga kommt aus dem Sanskrit und heißt wörtlich übersetzt „anjochen“, „zusammenbinden“ oder „anspannen“. Es steht für eine Jahrtausend alte philosophische Lehre, deren Wurzeln im Hinduismus und Teilen des Buddhismus liegen.
Vereinfacht zusammengefasst wird der Mensch in diesem System als ein Reisender gesehen. Sein Wagen ist der Körper, der Kutscher der Verstand, die fünf Pferde die fünf Sinnesorgane, der Fahrgast die Seele, und das Geschirr, das alles verbindet und vereint heißt im Indischen „Yoga“. Sein Ziel ist es die wilden Rösser der fünf Sinne, die Begierden zu zügeln, um den Weg der Selbstvervollkommnung, der Reinigung zu beschreiten.
Wie alt Yoga ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Erste Hinweise auf yogische Praktiken finden sich in Ton-Abbildungen vor mehr als 5000 Jahren, urkundliche Erwähnung finden die Meditations- und Atemtechniken erstmals vor ca. 3500 Jahren in alten indischen Weisheitstexten, der Veda. Fest steht, dass es ein Jahrtausende alte Weg ist, Erleuchtung zu finden.
Ursprünglich war Yoga ein rein spiritueller Weg. Den Weisen der Lehre ging es nicht darum möglichst alt oder gesund zu werden. Sie waren auf der Suche nach Erleuchtung durch Meditation und um möglichst lange im Meditationssitz, dem Lotussitz, verharren zu können, wurden nach und nach Übungen -sogenannte Asanas – entwickelt, die den Körper geschmeidig und den Geist ruhig hielten. Die gesundheitsfördernde Wirkung dieser Übungen wurde erst später erkannt und weiterentwickelt.
Da jeder Weg zur Selbsterkenntnis als Yoga bezeichnet werden kann, gibt es unzählige Formen. Die einen legen ihren Schwerpunkt auf Konzentration (Dharana) sprich Meditation, die anderen auf Atemübungen (Pranayama) und wieder andere auf Körperpositionen (Asanas). Gemeinsam ist ihnen, dass sie einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen, die Selbstregulationsmechanismen des Körpers und damit die Gesundheit zu fördern und innere Gelassenheit zu finden.
Die westliche Welt versteht unter Yoga eher körperbetonte Praktiken, die im Hatha Yoga ihren Niederschlag fanden. Hatha bedeutet Gewalt oder Kraft. Damit soll die Anstrengung unterstrichen werden, die notwendig ist, um das eigentliche Ziel zu erreichen. Zu dessen schwierigsten Systemen zählt das Ashtanga Yoga, welches durch die Synchronisation des Atems die Vervollkommnung erreichen will. Daneben gibt es viele integrierende Systeme wie das ganzheitliche Sivananda Yoga, das Kundalini-Yoga, das die Erweckung und Lenkung der Kundalini Energie zum Ziel hat, oder das spirituelle ausgerichtete Marma Yoga, das auf den Selbsterfahrungsaspekt der Übungen baut.
Ihnen gegenüber steht das Jnana-Yoga, der Weg des Wissens, das Streben nach der Erkenntnis der letzten Wahrheit, der Erlösung durch Meditation.
Doch auch, wenn man dem spirituellen Hintergrund von Yoga nichts abgewinnen kann, scheint doch außer Frage zu stehen, dass Yoga, einen positiven Effekt auf unsere physische wie psychische Gesundheit haben kann. Das belegen mittlerweile über 2000 wissenschaftliche Studien.
Bei Rückenleiden brachte einmal pro Woche praktiziertes Yoga, laut einer Untersuchung der Charité in Berlin, deutlich mehr Besserung als eine Rückenschule und laut University of Washington Seattle konnten 80% der Yoga-Übenden sogar auf Schmerzmittel verzichten. Nach Berichten der Yale University konnten auch Bluthochdruck-Patienten ihre Medikamenten-Dosis reduzieren. Schlafstörungen konnten durch Yoga besser in den Griff gebracht werden als durch eine Schlafberatung, konstatierte die Harvard University Boston. Die Boston University School of Medicine fand wiederum heraus, dass Yoga-Stunden den Spiegel der beruhigend wirkenden Gamma-Aminobuttersäure im Gehirn deutlich erhöhten wodurch depressive und an Angsterkrankungen leidende Menschen profitieren. Selbst Krebs-Gene scheinen auf Yoga-Praktiken zu reagieren, und schalten sich inaktiv, wie die University of California herausfand.
Wer dem immer noch nicht Glauben schenken will, der muss zumindest zugeben, dass Yoga die Körperhaltung verbessern, Stress reduzieren, die Muskelkraft stärken, sowie die innere Zufriedenheit und das Selbstwertgefühl steigern kann.
Warum gibt es dann aber immer wieder Medienberichte, die von Yoga bedingten körperlichen Schäden und Verletzungen sprechen?
Tatsächlich kann Yoga nicht nur ein Quell der Heilung sondern – wenn falsch praktiziert – auch des Schmerzes sei. Man muss bedenken, dass die Übungen sich aus alltäglichen Körperhaltung der indischen Yogis entwickelten, die schlank, gesund und in körperlich guter Verfassung waren. Heute wollen es ihnen Stadtmenschen nachmachen, die meist, wenn nicht unter gravierenderen körperliche Problemen, so doch unter Bewegungsarmut und Ungelenkigkeit leiden.
Eine ganze Reihe oft gelehrter Yogapositionen ist für viele Menschen zudem von Natur aus riskant. So zum Beispiel die Körperhaltungen „Cobra“ oder „Kerze“, klassische Yoga-Übungen. Die dabei extreme Überdehnung der Hals Wirbelsäule kann Blutgerinnsel, Schwellungen und Schlaganfälle hervorrufen und schließlich verheerende Schäden im Gehirn anrichten. Auch der Kopfstand ist durchaus umstritten, da er Karpaltunnelsyndrom, degenerative Arthritis der Halswirbelsäule und Risse in der Retina zur Folge haben kann.
Wie „The Times“ berichtete, fanden Gesundheitsexperten heraus, dass auch die durchdringende Hitze von Bikram Yoga das Risiko von Überdehnung, Muskelverletzungen und Knorpelrissen erhöhen könnte. Ein Spezialist stellte fest, dass Bänder ihre ursprüngliche Form nicht mehr annahmen, wenn sie einmal überstreckt worden waren, wodurch sich das Risiko von Zerrungen und Verstauchungen steigerte.
Eine 2009 vom New Yorker Team des College of Physicians and Surgeons der Columbia University veröffentlichte Untersuchung ergab, dass die größte Anzahl der Schädigungen durch Yoga mit der Lendenwirbelsäule zu tun hatte. Die anderen Problemzonen waren, Schulter, Knie und Nacken.
Doch nicht nur extreme Körperpositionen sondern auch das eigene Leistungsdenken, bergen Verletzungspotential. Dann nämlich, wenn das Motto lautet: „Das was der neben mir schafft, kann ich schon lang!“ Dabei sollte vielmehr auf den eigenen Körper gehört werden, er sagt uns meist, wie weit ich gehen kann und was gut für ihn ist oder nicht.
Und wenn dann noch selbsternannte Yogis, die einen Wochenendkurs belegt haben, am Werk sind, die den Schülern nicht die korrekte Körperausrichtung der Übung lehren, kann das durchaus fatal enden.
Wer sich aber umfassend informiert, sein Ego ausschaltet, sich also selbst nicht zu viel zumutet und dabei auf sein Innerstes hört, bei dem kann auf dem Weg zur inneren Einkehr aber eigentlich nichts schiefgehen!
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