War das etwa schon alles? Die Coronapandemie sorgte für eine kurzfristige Umweltrevolution, sie hat uns gezeigt, wie schnell und drastisch wir das Klima entlasten können. Aber können wir tatsächlich?
In den Jahren 2020 bis 2022 kam es bedingt durch die weltweite Covid 19 Pandemie zu großen Einschränkungen im Güter und Personenverkehr, bedingt durch Lockdowns und Reiseregeln.
Diese Maßnahmen hatten signifikante Auswirkungen auf den globalen CO2-Ausstoß, wobei besonders die Reduktion des Flugverkehrs und des industriellen Outputs zu spürbaren Veränderungen führte.
Dies hat eine Dimension erreicht, die zuvor in diesem Ausmaß noch nicht messbar war und bisher wohl auch für unmöglich gehalten wurde.
Trotzdem wird auch Jahre danach vergleichsweise wenig in den Medien darüber berichtet. Aber warum ist das so, immerhin wäre eine ähnliche Reduktion durch politische Maßnahmen zeitgleich und weltweit wohl niemals realisierbar gewesen?
Die enormen gesundheitlichen und sozialen Herausforderungen haben verständlicherweise große Aufmerksamkeit auf sich gezogen und den Fokus von den positiven, wenn auch vorübergehenden, Umwelteffekten verschoben.
Während die Natur von den reduzierten Emissionen profitierte, wurden die negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und das soziale Wohlbefinden vieler Menschen besonders intensiv wahrgenommen und medial diskutiert.
Wir meinen allerdings, dass die durchaus dramatischen Kollateralschäden der Pandemie und die damit einhergehenden Beschränkungen die positiven Umweltauswirkungen nicht in den Hintergrund drängen sollen.
Schließlich bieten die während der Pandemie erzielten CO2-Reduktionen eine einmalige Gelegenheit, die positiven Auswirkungen solcher Maßnahmen sichtbar zu machen und als starke Argumente für energische Klimaschutzmaßnahmen zu nutzen.
Klimaschutz: emotional und kontrovers
Um die Klimaziele des Pariser Klimaschutzübereinkommens der Vereinten Nationen zu erreichen, ist ein besseres Wissen darüber erforderlich, welche klimapolitischen Maßnahmen bei der Emissionsreduzierung im erforderlichen Umfang wirksam sind.
Noch immer herrscht in weiten Teilen der Bevölkerung Unklarheit darüber, in welchem Ausmaß und mit welcher Geschwindigkeit sich das Klima verändert.
Selbst fatale Unwettererkatastrophen oder Extremwetter überzeugen viele nicht davon, dass es sich dabei nicht um Ereignisse im „normalen“ Spektrum handelt, sondern, dass dies nachweislich Konsequenzen menschlichen Handelns sind.
Doch Jahr für Jahr werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel immer klarer und die Appelle der Experten immer dringlicher.
Das Pariser Klimaschutzübereinkommen wurde getroffen, um eine umfassende, globale Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels zu etablieren.
Berichte des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) zeigten, dass die globalen Temperaturen steigen und die Auswirkungen des Klimawandels immer gravierender werden.
In den letzten zehn Jahren wurde deutlich, dass umfassende und sofortige Maßnahmen erforderlich sind, um nachhaltig katastrophale Folgen zu vermeiden.
Das Pariser Abkommen zielt darauf ab, die Erderwärmung auf „deutlich unter 2°C“ im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen und weiterhin Anstrengungen zu unternehmen, die Erwärmung auf 1,5°C zu beschränken.
Dieses Ziel wurde gesetzt, um die schwerwiegenden Folgen des Klimawandels zu begrenzen, wie extreme Wetterereignisse, Anstieg des Meeresspiegels und Störungen von Ökosystemen.
Es stellt sicher, dass alle Länder, unabhängig von ihrem Entwicklungsstand, einen Beitrag leisten und fördert ein flexibles, transparentes System zur Überwachung und Anpassung der Klimaziele.
Es zielt darauf ab, die Erderwärmung auf ein sicheres Niveau zu begrenzen und gleichzeitig Entwicklungsländer bei der Bewältigung der Klimafolgen zu unterstützen.
Soweit die Theorie.
Um Erkenntnisse zu gewinnen, welche (politischen) Maßnahmen tatsächlich wirken, wurde eine große Studie in Angriff genommen, die im August 2024 präsentiert wurde.
Dabei wurden 1500 Klimamaßnahmen in 41 Staaten ausgewertet, die in den letzten 25 Jahren umgesetzt wurden und die 63 erfolgreichsten identifiziert, die tatsächlich relevante Emissionsreduktionen (in einer Größenordnung von zumindest acht Prozent) bewirkt haben.
Das Ergebnis: Einzelmaßnahmen bringen wenig, Maßnahmebündel sind wesentlich effiziener.
In den meisten Fällen stellten die Forscher fest, dass die Effektstärke größer ist, wenn ein politisches Instrument Teil eines Mixes ist und nicht allein umgesetzt wird.
Einige politische Maßnahmen – beispielsweise Etiketten und Subventionsreformen für fossile Brennstoffe – sind in einem Mix immer nur mit großen Emissionsstopps verbunden, was darauf hindeutet, dass diese Art politischer Interventionen entweder nie als eigenständige Maßnahme umgesetzt wird oder allein keine großen Emissionsreduktionen bewirkt.
Mehrere beliebte Instrumente – wie Verbote, Bauvorschriften, Energieeffizienzauflagen und Subventionen – haben geringere durchschnittliche Effektstärken, wenn sie als eigenständige Maßnahme mit Emissionsstopps verbunden sind.
Im Gegensatz dazu ist die Besteuerung eine bemerkenswerte Ausnahme, da sie allein wirksam große Emissionsminderungen bewirken kann. Sie ist das einzige Politikinstrument, das als eigenständige Maßnahme in allen Sektoren eine nahezu gleiche oder größere Effektstärke erreicht.
Als Beispiel nennt der Studienkoautor Felix Pretis von der Victoria-Universität in Kanada etwa einen Effekt Mitte der 2000er Jahre im Transportsektor, den er auf die Einführung der Lkw-Maut und die Erhöhung der Mineralölsteuer zurückführt. Das habe zu dieser Zeit zu einer Reduktion von elf Prozent der Transportemissionen geführt.
Die Pandemie bot in diesem Zusammenhang eine seltene Gelegenheit zu beobachten, wie sich drastische Einschränkungen auf den globalen CO2-Ausstoß auswirken können.
CO2-Reduktion während der Pandemie
Während der ersten Monate der Pandemie im Jahr 2020 wurde eine der größten je gemessenen Reduktionen des globalen CO2-Ausstoßes verzeichnet.
Wir haben uns das Jahr 2020 daher etwas genauer angesehen und waren durchaus verblüfft:
Im diesem Jahr sank der globale CO2-Ausstoß um etwa 2,6 Gigatonnen (Gt) CO2, was einem Rückgang von rund 7 % im Vergleich zu 2019 entspricht.
Diese Reduktion ist die größte, die jemals innerhalb eines Jahres gemessen wurde.
Zum Vergleich: Ein solcher Rückgang entspricht in etwa dem jährlichen CO2-Ausstoß Indiens, dem drittgrößten CO2-Emittenten weltweit.
Es gab aber enorme regionale Unterschiede:
– China, der weltweit größte Emittent, verzeichnete eine Reduktion von etwa 1,7 % im Jahr 2020.
– In den USA, dem zweitgrößten CO2-Emittenten, sanken die Emissionen um etwa 10 % im gleichen Zeitraum.
– Die EU-Mitgliedstaaten zusammen verzeichneten einen Rückgang von rund 7 % im Jahr 2020.
Hauptverantworlich für den Rückgang war der Verkehrssektor:
Der globale Flugverkehr, der normalerweise rund 900 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ausstößt, verzeichnete 2020 einen Rückgang um etwa 60 %. Dies entsprach einer Reduktion von rund 540 Millionen Tonnen CO2.
Auch der Straßenverkehr ging um etwa 50 % zurück, was in den USA allein eine Einsparung von rund 1,5 Gt CO2 bedeutete.
Effekte auf die Tier- und Pflanzenwelt:
Selbst in der vergleichsweise kurzen Zeit konnten zudem weltweit eine spürbare Erholung der Natur beobachtet werden.
In Städten kehrten Vögel in größerer Zahl zurück, Wildtiere wurden in urbanen Gebieten gesichtet, und die Lärmbelastung in den Ozeanen nahm ab, was den Lebensraum für Meeressäuger verbesserte.
Auch Pflanzen, insbesondere in städtischen Gebieten, profitierten von der verbesserten Luftqualität.
Der Rückgang des Straßenverkehrs führte zu einer Reduktion von Stickoxiden (NOx) in der Luft, insbesondere in urbanen Gebieten. Dies trug zur Verbesserung der Luftqualität bei, was wiederum das Wachstum von Pflanzen in städtischen und ländlichen Gebieten förderte.
Der Rückgang im Verkehrssektor führte zu einer deutlichen Reduktion der Lärmbelastung. Dies ermöglichte es vielen Tieren, sich wieder vermehrt in städtischen Gebieten anzusiedeln. So wurden in vielen Großstädten Vögel und andere Wildtiere häufiger gesichtet als in den Jahren zuvor.
Viele Städte berichteten außerdem von einer üppigeren Vegetation in öffentlichen Grünanlagen und Gärten, die auf die verbesserte Luftqualität und die reduzierte menschliche Aktivität zurückzuführen ist.
Die Reduktion des Schiffsverkehrs führte zu einer Verringerung des Lärms im Ozean, was sich positiv auf die Kommunikations- und Navigationsfähigkeiten von Meeressäugern wie Walen auswirkte. Dies wurde besonders in Regionen wie dem Nordatlantik und dem Mittelmeer beobachtet.
Doch wie nachhaltig sind diese positiven Effekte? Leider zeigt sich, dass viele dieser Verbesserungen flüchtig waren. Mit dem Ende der strikten Lockdowns kehrte das menschliche Verhalten weitgehend zur Normalität zurück, und die Emissionen stiegen wieder an.
Dennoch bleibt die Erkenntnis, dass die Natur eine erstaunliche Resilienz zeigt und sich erholen kann, wenn wir ihr Raum geben.
Diese Beobachtung sollte uns ermutigen, langfristige Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu ergreifen, etwa durch den Schutz von Lebensräumen, die Reduktion von Umweltverschmutzung und eine nachhaltige Landnutzung.
Die Lehren der Pandemie: Eine Chance für eine nachhaltigere Zukunft?
Lockdowns, Reisebeschränkungen und veränderte Lebensgewohnheiten führten zu einer massiven Reduktion des globalen CO2-Ausstoßes und einer Verbesserung der Luftqualität in vielen Teilen der Welt.
Diese Entwicklungen, wenn auch nur vorübergehend, werfen eine entscheidende Frage auf: Welche Lehren können wir daraus ziehen, um eine nachhaltigere und umweltbewusstere Zukunft zu gestalten?
Während der Pandemie haben viele Menschen ihren Lebensstil angepasst – teils aus Notwendigkeit, teils aus Einsicht. Das Mobilitätsverhalten hat sich verändert, Homeoffice wurde für viele zur neuen Normalität, und der Konsum verlagert sich zunehmend in den digitalen Raum.
Diese Veränderungen hatten direkte Auswirkungen auf die Umwelt: Weniger Pendlerverkehr bedeutete weniger Emissionen, und der verringerte Konsum führte zu einem Rückgang der Abfallproduktion und Umweltbelastung.
Interessanterweise haben einige dieser Verhaltensänderungen langfristige Spuren hinterlassen. So bleibt das Homeoffice in vielen Unternehmen auch nach den Lockdowns eine Option, was nicht nur die Emissionen reduziert, sondern auch die Work-Life-Balance vieler Menschen verbessert.
Die Herausforderung besteht nun darin, diese positiven Veränderungen zu bewahren und zu fördern. Unternehmen und Regierungen können dies unterstützen, indem sie flexible Arbeitsmodelle und nachhaltige Mobilitätsoptionen weiter ausbauen.
Die Reduktionen der Treibhausgase insbesondere im Flug- und Strassenverkehr verdeutlichen, dass der Verkehrssektor ein Schlüsselbereich ist, wenn es um nachhaltige Emissionsminderungen geht.
Eine Lehre daraus könnte sein, den öffentlichen Verkehr weiter auszubauen, alternative Mobilitätsformen wie Radfahren und Elektromobilität zu fördern und den Flugverkehr durch Investitionen in klimafreundlichere Technologien zu transformieren.
Zudem hat die Pandemie gezeigt, dass weniger Reisen oft nicht nur möglich, sondern auch wünschenswert ist – eine Erkenntnis, die es zu bewahren gilt.
Die Rückkehr der Emissionen nach den Lockdowns
Mit dem Ende der Lockdowns und der schrittweisen Rückkehr zur Normalität stiegen die Emissionen weltweit wieder an – in einigen Fällen sogar schneller als erwartet.
Bis Ende 2021 hatten viele Länder ihre Emissionen wieder auf das Niveau von 2019 gebracht oder sogar überschritten, da wirtschaftliche Aufholprozesse und das Nachholen aufgeschobener Aktivitäten zu einem plötzlichen Anstieg der Umweltbelastung führten.
Dieser schnelle Anstieg zeigt, wie tief verwurzelt unser umweltschädliches Verhalten ist und wie schwierig es ist, nachhaltige Veränderungen durchzusetzen. Er macht aber auch deutlich, dass kurzfristige Einschnitte allein nicht ausreichen – es bedarf langfristiger Strategien und struktureller Veränderungen, um die Emissionen dauerhaft zu senken.
Die durch die Pandemie verursachten Emissionsreduktionen waren zwar signifikant, aber nur von kurzer Dauer.
Laut Berichten stiegen die globalen CO2-Emissionen bereits 2022 wieder auf ein Niveau über dem von 2019 und erreichten einen neuen Höchststand. Dies deutet darauf hin, dass die Pandemie-bedingten Reduktionen keine nachhaltigen Veränderungen bewirkt haben.
Trotz des beobachteten Rückgangs der Emissionen während der Lockdowns war der Effekt auf das globale Klima gering, jedenfalls kurzfristig. Experten schätzen, dass sowohl das Ausmaß als auch die Dauer des Emissionsrückgangs zu gering waren, um einen signifikanten und nachhaltigen Einfluss auf das Klima zu haben.
Nichts gelernt?
Für unmittelbare Auswirkungen waren also offenbar selbst die enormen Reduktionen an Treibhausgasen nicht ausreichend, irrelevant waren sie allerdings keineswegs.
Die Pandemie hat eine einzigartige Gelegenheit geboten, die potenziellen Auswirkungen drastischer Verhaltensänderungen auf die Umwelt zu demonstrieren.
Sie hat uns gezeigt, dass drastische Reduktionen von CO2-Emissionen möglich sind und positive Auswirkungen auf unsere Umwelt haben.
Doch sie hat auch verdeutlicht, dass solche Veränderungen nur von Dauer sein können, wenn sie Teil eines bewussten, langfristigen Wandels sind.
Was können wir also aus diesen Erfahrungen lernen, um unsere Zukunft nachhaltiger zu gestalten?
Sie häufiger in die Natur, engagieren Sie sich in lokalen Naturschutzprojekten und unterstützen Sie Initiativen, die den Schutz von Lebensräumen und die Biodiversität fördern.
Vor allem aber:
Jeder kann nur für sein eigenes Handeln verantwortlich sein und nur darüber frei bestimmen.
Die Entscheidung für eine Verhaltensänderung ist eindeutig und nachhaltig und sie ist ein Statement, das nur Sie selbst setzen können. Das Verhalten der anderen können Sie nicht ändern, aber mit ihrem persönlichen Verhalten vielleicht inspirieren.
Oder wie es Erich Kästner so schön formulierte: „Es gibt nicht Gutes. Außer man tut es.“
Es liegt an uns allen, diese Chance zu nutzen. Jede Entscheidung, die wir treffen, sei es beim Konsum, bei der Wahl des Verkehrsmittels oder im Umgang mit natürlichen Ressourcen, trägt dazu bei, die Zukunft unseres Planeten zu gestalten.
Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, eine nachhaltigere und lebenswertere Welt zu schaffen – nicht nur für uns selbst, sondern auch für zukünftige Generationen.
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Quellen:
¹ Climate policies that achieved major emission reductions: Global evidence from two decades. (Annika Stechemesser et al. in Science385,884-892; 2024) DOI:10.1126/science.adl654
² Global Carbon Project (GCP)
Das GCP führt kontinuierlich globale CO2-Emissionsanalysen durch. Während der Pandemie hat das Projekt spezielle Berichte und Updates herausgegeben, die sich mit den Emissionsveränderungen durch COVID-19 beschäftigen. Diese Forschung liefert regelmäßig aktualisierte Daten und Modelle zur Entwicklung der globalen Emissionen.
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