Von Kave Atefie
Studien unter Krankenhauspatienten zeigen, dass sich Angst negativ auf den Heilungsprozess auswirkt. Wird Angst bei Patienten zu einem dauerhaften Zustand, kann dies langfristige Nebenwirkungen haben – Schlafstörungen, eine höhere Infektanfälligkeit, Depression, Ruhelosigkeit uvm.
Prim. Dr. Josef Macher, Präsident des Verbandes der Privatkrankenanstalten Österreichs und Ärztlicher Direktor des Diakonissen Krankenhauses erklärt im Interview den Begriff Angstmanagement und warum diese Disziplin im Gesundheitswesen an Bedeutung gewinnt.
Magazin.gesund.co.at: Der Begriff Angstmanagement gewinnt im Gesundheitswesen an Bedeutung, ist es bloß eine Marketingstrategie um durch ein verbessertes Angebot an (zahlungskräftige) Patienten zu gelangen, oder steckt mehr dahinter?
Im Grunde genommen geht es im Angstmanagement darum, dem Patienten seine Angst zu nehmen und ihn hinsichtlich seiner bevorstehenden Behandlung zuversichtlich zu stimmen. Je besser der Patient über seinen Krankheitsverlauf und die bevorstehende Behandlung informiert ist, desto kompetenter und selbstsicherer ist er in seinem Umgang damit und desto höher ist die Therapietreue. Ein kontinuierlicher, vertrauensvoller Austausch mit dem verantwortlichen Arzt – am besten immer demselben – ist ein wesentlicher Faktor der Angstminderung und der damit verbundenen, verbesserten Genesung.
Es handelt sich hierbei um keine Marketingstrategie, sondern um eine kontinuierliche Verbesserung in der Patienten-Betreuung, unter Einbeziehung wissenschaftlich nachweisbarer Einflussfaktoren. Unser Ziel ist die Schaffung einer Kommunikationsebene, auf der Ärzte und Patienten sich mit Offenheit begegnen können – dies ist die Grundvoraussetzung für eine optimale Behandlung. Gestresste Ärzte, Zeitknappheit, nicht zuhören, etc. führen beim Patienten zu Unsicherheit und Angst und sorgen damit für unnötige Zusatzbelastungen.
Magazin.gesund.co.at: Egal ob öffentlich-rechtlich oder privat – Krankenhäuser und Spitäler stehen nicht nur unter Kosten-, sondern zunehmend auch unter Konkurrenzdruck. Wie können sich Privatkrankenanstalten in dieser Situation positionieren?
Konkurrenzdruck ist grundsätzlich etwas Positives. Denn durch die Konkurrenz wird die ständige Weiterentwicklung von medizinischen Leistungen vorangetrieben, was wiederum den Patienten zu Gute kommt.
Private Krankenanstalten positionieren sich mittels ganz klarer Spezialisierungen und patientenorientierten Angeboten, die in öffentlichen Häusern in dieser Betreuungsintensität oft leider nicht umsetzbar sind. Aufgrund der hohen Kompetenz der Privatspitäler ist auch eine entsprechende Nachfrage seitens der Patienten gegeben. Immerhin verfügen bereits 35 Prozent der österreichischen Bevölkerung über eine private Krankenversicherung.
Wichtig zu wissen ist jedoch, dass – unabhängig von der Spezialisierung der einzelnen Häuser – die grundsätzlichen medizinisch-technischen und personellen Voraussetzungen sowohl für öffentliche als auch private Krankenanstalten gleich sind: Dies ist im österreichischen Strukturplan für Gesundheit geregelt und durch ihn sichergestellt.
Magazin.gesund.co.at: Im Krankenhaus ist Angst eines der bedeutendsten Phänomene: Angst erschüttert Patienten offensichtlich erheblich in ihrem Selbst und kann ihre physische und psychische Gesundheit beeinträchtigen. Es gibt mittlerweile einige Studien zu diesem Thema – was ist der Stand der Forschung?
Angst wird verursacht, wenn der Patient mit seinen Fragen und seinen Anliegen nicht ausreichend wahrgenommen wird. Bestimmte Behandlungsschritte – wie zum Beispiel der Aufenthalt im OP-Bereich, bei der der Patient jegliche Selbstkontrolle (z.B. Einleitung einer Narkose) aufgeben muss – wirken verunsichernd.
Hier ist die persönliche Zuwendung die wichtigste Grundlage, um Angst vorzubeugen. Sogar bei einer normalen Erkältung konnte bereits der Einfluss von behandelnden Ärzten mit besonders hoher Empathie nachgewiesen werden: Laut einer Studie aus dem Jahr 2011 verringert sich durch empathische Zuwendung der Ärzte z. B. die Krankheitsdauer der Patienten um durchschnittlich 1,11 Tage und führte zu einer deutlichen Verbesserung der Immunparameter.
Angst hat erwiesenermaßen negative Auswirkungen auf den Heilungsprozess. Wer Angst hat, schüttet innerhalb von Sekunden eine Mischung aus Adrenalin und Noradrenalin aus, die auf das vegetative Nervensystem erregend wirken. Wird Angst zu einem dauerhaften Zustand, kann dies langfristige Nebenwirkungen haben, die auf den Genesungsprozess negativ wirken, wie z.B. Schlafstörungen, eine höhere Infektanfälligkeit, Depression, Ruhelosigkeit, Muskelverspannung, Verstopfung u.v.m.
Magazin.gesund.co.at: Patienten fürchten Schmerzen und Behandlungsfehler, Ärzte Untersuchungen an erkrankten Kollegen und den schwerverletzten Notfall – was können Ärzte, Pflegepersonal, aber auch Patienten und Angehörige tun, um Ängste zu reduzieren und den Heilungsprozess positiv zu beeinflussen?
Patienten bzw. Angehörige sowie Ärzte und Pflegepersonal sind hier gefordert, offen zu fragen – es gibt keine falschen Fragen, nur schlechte Antworten. Bezüglich Schmerzen gibt es wirklich gute postoperative Schmerzkonzepte bzw. ebenso für akute Erkrankungen. Hier sollten beispielsweise Medikamente schon am Beginn eines Schmerzanstieges verabreicht werden, um die Schmerzspitze nicht nur noch mittels einer hoch dosierten Medikation beherrschen zu können.
Beim schwer verletzten Notfall bzw. bei Kollegenbehandlungen besteht sicherlich eine besondere Stresssituation. Hier sind Nachbesprechungen bzw. gemeinsame Analysen von Stärken und Schwächen nach der Behandlung empfehlenswert.
Magazin.gesund.co.at: Heilung durch Ambiente – die Vorstellung vom Krankenhaus als Wohlfühloase klingt etwas banal, zudem ist es eine Finanzierungsfrage. Werden sich künftig nur Privatpatienten dieses Service leisten können, oder geht es nicht nur um Ausstattung und Komfort?
Eine angenehm gestaltete Umgebung hat wissenschaftlich nachweisbar positive Effekte auf Heilungsverläufe. Diesbezüglich gibt es viele Studien zum Thema „Healing Environment“. Die Umgebungsfaktoren sind also keine Frage des Luxus, sondern eine Frage der wirkungsvollen Unterstützung des Heilungsprozesses. Diese Idee kann von allen Kliniken aufgegriffen werden.
Natürlich haben die öffentlichen Häuser oftmals Rahmenbedingungen, in denen solche Aspekte schwieriger umzusetzen sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass Privatkliniken hier ein besonderes Augenmerk darauf legen, um eine bestmögliche Umgebungsstruktur für die Genesung der Patienten zu schaffen. Aber gleichzeitig – und da sind wir wieder beim Thema der positiven Konkurrenz – nehmen die Privatkliniken hier oft auch eine Vorreiterrolle ein, und die kommt letztendlich allen Patienten zugute.
Magazin.gesund.co.at: Das Internet-Zeitalter ruft auch im Gesundheitsbereich die legendäre Feststellung: „overnewsed and underinformed“ wieder in Erinnerung. Patienten kommen mit fixfertig erstellten Selbstdiagnosen, Ärzte fühlen massiv ihre Kompetenz in Frage gestellt – in wie weit sehen Sie noch Verbesserungsbedarf im Ärzte-Patientenverhältnis?
Leider führen ungefilterte Informationen aus dem Internet tatsächlich zu massiv fehlinformierten Patienten. Das Problem ist dabei nicht die Quantität der Information, sondern die Qualität der Information und allem voran die fehlende Interpretationsmöglichkeit seitens des Patienten.
Ärzte sollten in solchen Situationen nicht Patienten, in Frage stellen oder abweisen, sondern darauf achten, dass bei ihnen Vertrauen zum Arzt, zu seiner Ausbildung und seiner Expertise entsteht oder bestehen bleibt. Im Dialog mit dem Patienten greift der Arzt die Sichtweise des Patienten auf, stellt die Ausgangslage des Gesprächs klar und vereinbart alle weiteren Schritte, die erforderlich und sinnvoll sind.
Magazin.gesund.co.at: Wie sollte aus Ihrer Sicht modernes Informationsmanagement aussehen? Welche Informationen muss mündigen Patienten zugemutet werden, welche Informationen behält der behandelnde Arzt besser für sich?
Es ist sicherlich sinnvoll und wichtig, Patienten offen über Diagnosen und Behandlungsmethoden zu informieren. Dies sollte jedoch über eine Sprache erfolgen, die für den Patienten verständlich ist. Nur so können gleiche Wissensstände geschaffen werden.
Sicherlich gib es auch Situationen bzw. Diagnosen, die den Patienten im aktuellen Einzelfall überfordern. In einer solchen Situation ist nur ein schrittweises Herangehen möglich. Diesbezüglich ist der Arzt gefordert, als Begleiter eine hohe Sensibilität und Einfühlungsvermögen zu einzubringen.
Das Ziel muss immer eine verständliche, empathische und patientenadäquate Art der Wissensvermittlung sein. Ein aufgeklärter Patient, der über seinen Krankheitsverlauf und die Behandlungsmethoden Bescheid weiß, kann sich besser darauf einstellen. So kann er auch seine Kompetenz im Umgang mit der Krankheit stärken. Der Faktor Zeit ist dabei auch entscheidend: Nimmt sich der Arzt wirklich die Zeit, den Patienten zu informieren oder passiert dies unter Zeitdruck oder Stress?
Magazin.gesund.co.at: Sehen Sie die derzeitigen Ausbildungsangebote für Ärzte und Pflegepersonal als ausreichend an, oder gibt es aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf? Welchen Beitrag kann die Politik in diesem Bereich leisten?
Die Ausbildungsangebote für Ärzte und Pflegepersonal sind heute über mehrere Universitätskliniken, Fachhochschulen und Ausbildungsstellen für diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal aufgeteilt. Die Ausbildungs- und Fortbildungsstrukturen sind festgelegt, werden aber auch immer weiterbearbeitet. Dies geschieht auch durch die Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium für Gesundheit, der Ärztekammer, den Pflegeverbänden und den Heilberufsverbänden.
Des Weiteren ist ein hohes Engagement der einzelnen Akteure im Gesundheitswesen zur persönlichen Weiterbildung wichtig – und in der Praxis auch gegeben. Das kann man sehr deutlich an den hohen Teilnehmerzahlen bei vielen Fortbildungsveranstaltungen ablesen.
Magazin.gesund.co.at: Wir danken für das Gespräch.
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