Von Mag. Alexandra Bolena
Wer kennt es nicht, das siebengliedrige Blatt mit den spitzen, zackigen Blättern? Spätestens seit sogar in seriösen Tageszeitungen mit einschlägigen Bildern der schönen Pflanze für Cannabisprodukte geworben wird, ist das Wissen um das Aussehen des Blatts kein ‚Insiderwissen‘ mehr. Cannabis, hierzulande auch schlicht ‚Hanf‘ genannt, ist eine uralte Kulturpflanze und vielfältig verwendbar. Mittlerweile boomt das ‚Cannabisbusiness‘ regelrecht und gewiefte Geschäftsleute verdienen Millionen. Doch was kann die Pflanze wirklich?
Hanf (lat. Cannabis) ist eine der ältesten bekannten Nutzpflanzen der Welt – Nachweise reichen bis ins dritte Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung zurück. Die strapazierfähigen Fasern der Hanfpflanze wurden vom Altertum bis heute zur Herstellung von Seilen und Tauen sowie Segeltüchern verwendet. Nach wie vor findet die robuste Naturfaser Anwendung in der Textil und Papierindustrie. Darüber hinaus ist Hanf aber auch seit Jahrtausenden als Arznei- und Rauschmittel im Einsatz.
Cannabis – uraltes Wissen
Sowohl die alten Ägypter als auch die Chinesen kannten die wundersamen Wirkungsweisen der Hanfpflanze. Die Einsatzgebiete der ‚’gesunden Pflanze’ wurden in den chinesischen Schriften recht ausführlich erläutert. Im dritten Jahrtausend vor Christus empfahl Kaiser Shen-Nung Cannabis ausdrücklich als Heilmittel. Anwendung sollte es in der Frauenheilkunde, bei Malaria, Gicht oder auch Geistesverwirrung bringen. Die Samen der Pflanze wurden explizit bei Bluthochdruck, als Abführmittel und als Antiseptikum empfohlen.
Auch in der indischen Heilkunde hat Cannabis einen fixen Platz. In der Ayurvedischen Medizin werden sowohl Cannabisharz, getrocknete Blüten, Samen und auch die Blätter der Pflanze eingesetzt.
Man geht davon aus, dass die berauschende Wirkung von Cannabis erst lange nach ihren medizinischen Einsatzmöglichkeiten entdeckt wurde – definitiv weiß man es allerdings nicht, zumal so manche medizinische Wirkungsweise ja auch auf die psychoaktive Wirkung von Cannabis zurückzuführen sein könnte.
Nutzpflanze Hanf
Hanf ist anspruchslos, schnell wachsend und gedeiht in nahezu allen Regionen, am besten bei gemäßigtem Klima in Gebieten mit reichlich Wasser. Unter optimalen Bedingungen kann man bereits nach 80 bis 100 Tagen üppige Ernten von den bis zu 4m hohen Pflanzen einfahren.
Werden die Pflanzen aus Samen gezüchtet sind so bis vier Ernten pro Jahr möglich. Die weiblichen Cannabis-Pflanzen sind üppiger, sie produzieren beträchtlich mehr‚ (psycho-) aktive Substanzen‘ (THC) als männliche Pflanzen. Hanfpflanzen besitzen zudem eine große natürliche Widerstandsfähigkeit gegen Krankheits- und Schädlingsbefall – nicht zuletzt dank der psychoaktiven Abwehrstoffe.
Faserhanf wird eigens für die Textilproduktion gezüchtet und ist in der EU sorten- und saatgutrechtlich geregelt. Solange der THC-Gehalt einer Pflanze nicht über 0,3 % liegt, ist der Anbau erlaubt, liegt der THC Anteil darüber, unterliegt der Anbau in Österreich dem Suchtmittelgesetz.
THC
Hanf enthält rund 60 verschiedene Cannabinoide, die in speziellen Drüsenhaaren im Bereich des Blütenstands der Pflanze gespeichert sind. In geringerem Ausmaß sind sie auch in den Blättern und Stängeln der Pflanze vorhanden, Hanfsamen hingegen enthalten keine Cannabinoide, sind aber reich an fettem Öl. Der Gehalt an den einzelnen Inhaltsstoffen hängt von der Hanfsorte und klimatischen Faktoren ab.
Das bekannteste Cannabinoid ist sicher THC (Tetrahydrocannabinol), da es für die berauschende Wirkung verantwortlich ist. Man unterscheidet zwischen Haschisch, dem gepressten Harz der Blütenstände und Marihuana, den getrockneten Blättern und Blüten (Umgangssprachlich auch als ‚Gras‘ bekannt).
Haschisch und Marihuana wirken beruhigend und entspannend, je nach Menge und Art des Konsums können jedoch auch ganz andere und zum Teil unerwünschte Wirkungen einsetzen. Das Spektrum reicht von gesteigertem Kommunikationsbedürfnis und intensiveren Sinneswahrnehmung über Heiterkeits- und Lachanfälle, bis hin zu gesteigerter Erregung, gedrückter Stimmung, Unruhe, Angst und sogar Panik. Bei Überdosierungen sind auch Halluzinationen und lebensbedrohende Kreislaufprobleme möglich.
Langzeitwirkungen von regelmäßigem Cannabiskonsum können Konzentrations- und Aufmerksamkeitsschwäche sein. Auch psychische Abhängigkeit und psychosoziale Veränderungen sind möglich, wenn sich Konsumenten immer mehr in ihre Innenwelt zurückziehen. Tatsächlich ist wohl der psychische Grundzustand eines Menschen dafür verantwortlich ob und wie sehr der (regelmäßige) Missbrauch von Cannabis dauerhafte charakterliche Veränderungen bewirken kann.
CBD
Medizinisch relevant ist Cannabidiol. Das auch unter dem Namen CBD bekannte Cannabinoid löst keine Rauschzustände aus. Es ist also nicht pschyoaktiv, aber medizinisch hoch wirksam. Bekannte und wissenschaftliche Wirkungsweisen von CBD sind:
- angstlösend
- antipsychotisch
- appetitanregend
- entzündungshemmend
- nervenzellenschützend (neuroprotektive)
- krampflösend
- Übelkeit bekämpfend
Ebenso werden eindämmende, wenn nicht sogar heilende Wirkungen bei bestimmten Krebsarten erwähnt, wenn auch letzte wissenschaftliche Belege für manche Wirkungsweisen noch ausständig sind.
CBN
In den vergangenen Jahren gewann Cannabinol (CBN) als drittes Cannabinoid immer mehr an Bedeutung. Das einzigartige Eigenschaftsprofil von CBN veranlasst Forscherteams auf der ganzen Welt dessen Wirkungsweise in weiteren Studien zu studieren.
Aktuell kommt CBN sehr erfolgreich bei Schlafstörungen zum Einsatz, aber auch die schmerzlindernden Eigenschaften von CBN beeindrucken. Bereits fünf Milligramm dieses Wirkstoffs zeigen die gleiche Wirkung wie 10 mg Diazepam, einem künstlichen Arzneistoff mit angstlösender und beruhigender Wirkung.
Weitere mögliche Wirkungsweisen:
- antibakteriell
- appetitanregend
- entzündungshemmend
- krampflösend
- schmerzlindernd
- zellwachstumsfördernd
Viele Patienten die sich einer Chemotherapie im Rahmen einer Krebsbehandlung unterziehen müssen schwören ebenfalls auf die Wirkung von CBN zur Eindämmung der Nebenwirkungen der Therapie. Ebenfalls erfolgsversprechend sind Versuchsreihen im Zusammenhang mit chronischen Schmerzen, Parkinson und multiple Sklerose.
CBN hat zudem kaum psychoaktive Effekte. Seine Wirkungsweisen sind in Medikamenten wie z.B. Nabilona, das ein synthetisches Cannabinoid enthält, bereits in vielen Ländern der Welt zugänglich. Nabilona wird als Antiemetikum eingesetzt um Übelkeit und Erbrechen infolge von Krebstherapien zu lindern. Zudem bewährt es sich bei der Bekämpfung neuropathischer Beschwerden (Brennen, Schüttelfrost, Taubheit, Jucken) und hilft bei chronischen Muskelschmerzen, wie sie z.B. durch Fibromyalgie verursacht werden.
CBN bildet sich als Abbauprodukt von THC. Dieser Abbauprozess, also der Vorgang, bei dem THC seine psychoaktive Wirkungsweise verliert und zu CBN wird, kann durch ultraviolette Lichteinwirkung beschleunigt werden.
Das Geschäft mit dem Hanf
Nach einer weitgehenden Verteufelung des Hanfs und seiner Wirkungsweisen im letzten Jahrhundert erlebt er seit einigen Jahren eine Renaissance. Einerseits werden die medizinischen Wirkstoffe immer mehr wertgeschätzt, andererseits dürfte eine Kombination aus der normativen Kraft des Faktischen und der Geldnot in den meisten Staatskassen dazu geführt haben, dass immer mehr (Bundes) Staaten dazu übergehen, Cannabis zu legalisieren.
Kanada ist (nach Uruguay) seit Juli 2018 der zweite Staat der Welt, der Cannabiskonsum legalisiert – und der erste von den G7 Staaten. Volljährige Kanadier dürfen bis zu 30 Gramm getrocknetes „Gras“ besitzen und konsumieren, auch der Anbau von bis zu vier Cannabis-Pflanzen pro Haushalt ist ab nun legal.
Die gesamte Belieferung des Markts (inklusive der Samen) wird – so der Plan – aus staatlich genehmigtem Anbau kommen, und so über Steuern zum Staatsbudget beitragen. Auch in acht Bundesstaaten der USA ist legaler Konsum von Marihuana oder Haschisch zu Genusszwecken erlaubt.
In Europa ist man da zwar noch zögerlicher, aber auch Tschechien erlaubt mittlerweile den privaten Anbau und in Portugal sowie im spanischen Barcelona sind vereinzelt sogenannte Cannabis-Clubs erlaubt. Die bisher liberalste Einstellung hatte sicher Amsterdam mit seinen Coffee Shops, wobei auch hier ein halbherziges Gesetzeswerk dahintersteht: erlaubt ist nur der Verkauf, nicht die Produktion der Droge – sprich der Anbau.
Deutschlands Cannabisagentur
In Deutschland ist seit März 2017 der Verkauf von „Medizinalhanf“ auf Rezept ermöglicht. Dafür wurde eine eigene stattliche Cannabisagentur gegründet, deren Ziel es ist, Cannabis für medizinische Zwecke aus deutschem Anbau zur Verfügung zu stellen.
Die Cannabisagentur kontrolliert von A wie Anbau, bis zu V wie Verpackung alle Produktionsschritte sowie die Abgabe an Großhändler und Apotheker oder Medikamentenhersteller. Die Cannabisagentur nimmt das Cannabis nach der Ernte für medizinische Zwecke zwar ‚in Besitz‘, aber weder transportiert, lagert oder weiterverteilt die Agentur den Rohstoff. Sie koordiniert lediglich und belässt die konkreten Schritte bei den jeweiligen Anbaubetrieben bzw. weiteren beauftragten Unternehmen.
Der Anbau erfolgt durch in einem europaweiten Ausschreibungsverfahren ausgewählte Unternehmen, die von der Cannabisagentur beauftragt werden. Der Anbau darf ausschließlich für medizinische Zwecke erfolgen. Die Agentur legt dann einen Herstellerabgabepreis fest für den das Produkt an Hersteller von Arzneimitteln, Großhändler oder Apotheken verkauft wird.
Die Cannabisagentur darf dabei keinen Gewinn oder Überschuss erzielen, nur die anfallenden Personal- und Sachkosten sollen berücksichtigt und gedeckt sein. Auf den tatsächlichen Abgabepreis in der Apotheke hat die staatliche Agentur jedoch keinen Einfluss.
Exkurs Österreich: In Österreich dürfen Cannabis-Produkte seit 2015 von Ärzten verschrieben werden. Der Anbau unterliegt einem staatlichen Monopol und die AGES, die Agentur für Ernährungssicherheit betreibt ihre eigene schwer gesicherte in-house Plantage. Das schlägt sich allerdings auf die Kosten der Cannabisarzneien durch, was wiederum die Bereitschaft der Kassen, die Kosten für entsprechende Medikamente zu übernehmen, nicht fördert.
Weitere Entwicklungen
Immer mehr Unternehmen die sich mit der Produktion von Hanf befassen drängen an die Börse – hier schlummert ein Milliardenmarkt, der langsam aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Einige Beispiele:
Der Kurs der Aktien von Advanced Cannabis, einem in Denver angesiedeltem Unternehmen, das sein Geschäft unter dem Namen General Cannabis Corp. betreibt, hatte sich im Frühjahr 2018 binnen weniger Tage nach dem Börsengang verdoppelt. Das Unternehmen vermietet Räumlichkeiten und Anlagen an lizenzierte Cannabis-Pflanzer.
Der Kurs eines anderen US-Unternehmens namens Growlife hat sich in kürzester Zeit sogar mehr als verdreifacht. Das Businessmodell: Verkauf von Innenausstattungen für den Hanfanbau.
In Dänemark geht im September 2018 erstmals in Europa ein auf Cannabis spezialisiertes Unternehmen an die Börse. Der Schritt an den Kapitalmarkt in Kopenhagen soll der im vergangenen Jahr gegründeten und auf Cannabis-Öl spezialisierte Firma StenoCare durch den Börsengang eine Kapitalzufluss von umgerechnet 2,5 Millionen Euro, die wiederum in den Anbau von Hanf investiert werden sollen, bringen.
Fakt ist: je mehr Staaten dazu übergehen, die medizinischen Wirkungsweisen von Hanf zu akzeptieren und den medizinischen Einsatz zu legalisieren, desto mehr Rohstoff wird gebraucht. Ob es sinnvoll ist, Hanf anbauende Unternehmen an der Börse große Gewinne einfahren zu lassen, oder statt dessen den Eigenanbau zu entkriminalisieren ist wohl ein Thema, über das sich noch länger trefflich streiten lässt.
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Quellen:
¹ Gesundheitsguide: Cannabis in der Medizin
² Cannabis als Medizin
³ Evidence for cannabis and cannabinoids for epilepsy: a systematic review of controlled and observational evidence. (Stockings E. et al. in J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2018 Mar 6) PMID: 29511052
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