Skitouren: Sicherheit geht vor

Skitouren: Sicherheit geht vor

Von Mag. Birgit Weilguni

Eigene Spuren in jungfräulichen Schnee zu ziehen, zählt zu den besonderen sportlichen Naturerlebnissen. Wer mit Umsicht Konflikten mit anderen Schneesportlern aus dem Weg geht und sorgfältig in Ausbildung, Vorbereitung, Ausrüstung und Routenwahl investiert, kann dieses Highlight ohne negative Folgen genießen.

Skitouren liegen im Trend. Neben dem Aufstieg aus eigener Kraft, dem Naturerlebnis abseits überfüllter Skipisten und der Abfahrt auf Skiern wird auch immer wieder Kritik laut: aufgrund der Nutzung von Infrastruktur, die für zahlende Skifahrer eingerichtet wurde, der Bevölkerung von Skihütten oder auch wegen der Lawinen, die ausgelöst werden können.

Skitourengeher am Pistenrand, die sich ohne technische Aufstiegshilfe nach oben kämpfen, sich in der Skihütte eine Erfrischung gönnen und dann abfahren, werden oft argwöhnisch beäugt. Sie brauchen nur die Natur und die Erlaubnis, sich hier zu bewegen, sind damit aber so manchem ein Dorn im Auge. Das liegt vor allem daran, dass es immer mehr werden, die dem stillen, anspruchsvollen Sport frönen.

Unnötige Konflikte

Hans Thurner ist staatlich geprüfter Berg- und Skiführer, Fotograf und Reisevortragender mit vielen Jahren Erfahrung, der unter anderem Skitouren leitet und in der staatlichen Ausbildung zum „Instruktor Skitour“ tätig ist. Ihm sind die Konflikte rund um den Trendsport nicht fremd: „War man vor vielleicht 20 Jahren noch ein etwas seltsamer Vogel, so ist es heute schick, mit Fellen unter den Skiern und in trendiger Kleidung in der winterlichen Bergwelt Spuren zu hinterlassen“, so Thurner.

„Die Zeiten sind allerdings längst vorbei, in denen man unangemeldet mit seiner Gruppe in einer Berghütte auftaucht, höflich grüßt und um Quartier bittet. Langfristige Reservierung ist heute auf Berghütten Standard.“ Dass Skitouren zum Trend wurden, ist für den routinierten Bergkenner aber gut verständlich, denn „eine neue Spur in eine tiefverschneite Bergwelt zu ziehen, hat fast etwas Magisches. Man spürt förmlich die Schönheit des Gebirges, fühlt die Kraft seines Körpers, definiert den Begriff Ruhe neu. Das Gesamterlebnis zählt, nicht der Leistungsgedanke“, so Thurner.

Wie überall sei es auch bei den Konflikten die Menge, die das Gift ausmache, das Verhalten einzelner Akteure. Vorprogrammierte Konflikte seien mit gesundem Hausverstand leicht zu vermeiden, indem man nicht durch den Jungwald carvt, Wildschutzgebiete und Rückzugsregionen meidet, den Anrainern gegenüber nicht rücksichtslos parkt und einiges mehr. Thurner versteht die Argumentation der Liftbetreiber, die ihre Infrastruktur nicht kostenlos zur Verfügung stellen möchten, und freut sich, dass mithilfe klarer Regeln und Bedingungen die Konflikte weniger werden. Manche Probleme entstehen jedoch aus ganz anderen Ursachen, nämlich aus ungenügender Vorbereitung und Ausbildung.

Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit

Der Berg ist immer auch mit Naturgewalt verbunden. Verhält sich der Sportler nicht entsprechend, so hat er gegen die Elemente im Zweifelsfall keine Chance. Ein ausgeprägtes Sicherheitsdenken und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen sind daher beim Skitourengehen immer ein Muss. „Auch erfahrene Tourengeher tun gut daran, ihre Entscheidungen am Berg immer wieder aufs Neue zu prüfen und zu hinterfragen. Fortbildung ist auch für Profis selbstverständlich“, warnt Thurner.

„Das Zusammenwirken der Geländeformationen, der zurückliegenden und aktuellen Wetterlage und dem daraus resultierenden, aktuellen Schneedeckenaufbau ergibt einen sehr komplexen Sachverhalt, der nicht zu 100% im Vorhinein einschätzbar ist.“ Um das Risiko in vertretbaren Schranken zu halten, seien zumindest Basiskenntnisse in Lawinenkunde in der Theorie sowie deren Anwendung in der Praxis notwendig.

Konkret bedeutet das: „Verstehen und praktische Umsetzung des täglichen Lawinenlageberichtes (www.lawine.at), eine gute Wahl der für die aktuellen Verhältnisse passenden Tour und Route, richtiges Einschätzen von Hangsteilheiten und Geländeformen, Orientierungsvermögen im winterlichen Gebirge sowie die Fähigkeit, Abläufe und daraus resultierende mögliche Gefahren vorausschauend zu erkennen.“

Im Alpinbereich können selbst kleinste Fehler tödlich sein – ob Anfänger oder Routinier: Niemand kann sich das erlauben. Anfänger tun daher gut daran, sich einer professionellen Begleitung mit Bergführer anzuvertrauen und sich parallel dazu in kleinen Schritten auf einfachen Touren selbstständig ins Gelände zu wagen.

Ausrüstung und Routen

„Für den Anfang reicht eine Leihausrüstung sicherlich aus, denn eine komplette Skitourenausrüstung kostet relativ viel Geld und man weiß ja nicht, ob der neue Sport auch gefällt“, sagt der Experte. „Mit zunehmender Erfahrung erkennt man die Unterschiede in der Ausrüstung in puncto Qualität, Funktionalität, Gewicht etc. und die Ansprüche an die Ausrüstung steigen. Vor allem bei den Skitourenschuhen ist es wichtig, dass sie sehr gut passen.“ Viele Sportgeschäfte verleihen inzwischen neben Alpinskiausrüstung auch Skitourenausrüstung, aber auch die alpinen Vereine und Bergschulen bzw. Bergführer sind gute Anlaufstellen.

Auch die Wahl der Route muss dem Können entsprechen – und zwar dem des „schwächsten“ bzw. unerfahrensten oder untrainiertesten Begleiters. Eine Vielzahl von Führern in Buchform und im Internet geben ausführliche Informationen über Skitourenregionen in den Alpen inklusive Berghütten. Über die Lawinensituation und Gefahrenstufe muss sich der Skitourengeher aber selbstverständlich tageweise selbst schlau machen, so er keinen versierten Guide gebucht hat – ein unabdingbares Muss.

Einen geeigneten Guide zu finden, ist hierzulande auch gar nicht schwierig. „In den Alpenländern gibt es viele Alpinschulen, die professionelle Führungen, aber auch spezifische Ausbildungen anbieten. So gut wie in allen Talorten in den Tourismusregionen vermitteln die ansässigen Bergführerbüros staatlich geprüfte Berg- und Skiführer“, rät Thurner.

Wenn Ausrüstung, Routenplanung, Schnee- und Gefahrenlage sowie fachmännische Begleitung geklärt sind, kann es losgehen. Was einem Profi nicht passieren kann, ist, häufigen und weit verbreiteten Irrtümern zu erliegen, die sich hartnäckig halten und zu haarigen Situationen führen können: „Lawinen gehen nur während oder kurz nach Neuschneefällen ab. Bei niedrigen Außentemperaturen lösen sich keine Lawinen. Häufig befahrene Hänge sind lawinensicher. Kurze Hänge und Geländestufen sind nicht gefährlich. Im Wald besteht keine Lawinengefahr. Bei geringen Schneehöhen gibt es keine Lawinen.

‚Wumm-Geräusche‘ deuten auf eine Setzung und Festigung der Schneedecke hin“, nennt Thurner die häufigsten Fehlmeinungen. All diese Ansichten sind leider falsch und potenziell gefährlich. Der verantwortungsbewusste, gut informierte Skitourengeher weiß: Kleinste Fehlentscheidungen am Berg können zu folgenschweren Situationen führen. Bewusst Gefahren einzugehen bedeutet, nicht nur das eigene, sondern auch das Leben anderer zu gefährden. Daher achtet ein versierter Skitourengeher grundsätzlich auf alle Sicherheitskomponenten, die den Sport ausmachen, damit dann alle Aufmerksamkeit dem Outdoor-Erlebnis gelten kann.

10 Empfehlungen des Alpenvereins für Skitourengeher und Freerider

1. Gesund in die Berge
2. Sorgfältige Planung
3. Lawinenlagebericht studieren
4. Vollständige Ausrüstung
5. Regelmäßig Trinkpausen
6. Lawinenrisiko abwägen
7. Abstände einhalten
8. Stürze vermeiden
9. Kleine Gruppen
10. Respekt für die Natur

Quellen: Hans Thurner, staatlich geprüfter Berg- und Skiführer, Fotograf und Reisevortragender, www.hans-thurner.at und www.alpenverein.at

Linktipps:

Skitourengehen – Ausrüstung, Technik, Training
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Adrenalinsportarten: Die Suche nach dem Kick
Sportsucht: Wenn Sport zur Sucht wird

Besser informiert – hilfreiche Linktipps zum Thema

www.alpenverein.at – Alpenverein Österreich, Hütten & Wege, Ausbildung, Wetterdienst, Karten u.v.m.
www.bergfex.at – Bergfex, Wetter, Unterkünfte, Karten, Routen etc.
www.bergwelten.com – Bergwelten, Magazin, Hütten, Unterkünfte, Tipps
www.lawine.at – Lawinensituation in Österreich
www.naturfreunde.at – Naturfreunde Österreich, Sicherheitstage für Skitourengeher, Wetterdienst, Sicherheitstipps
vavoe.at – Verband alpiner Vereine Österreichs – Buchtipps, Schutzhütten, Tourenportale